A. Einführung
Rz. 1
Die gesetzliche Rentenversicherung ist im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) geregelt. Sie sichert das Risiko ab, wegen der allmählich meist nachlassenden Erwerbsfähigkeit im Alter einkommenslos zu sein. Dabei stellt die gesetzliche Regelaltersrente ohne Bewertung der konkreten Erwerbsfähigkeit des Einzelnen darauf ab, ein bestimmtes Lebensalter (das Renteneintrittsalter) erreicht zu haben. Dieses Renteneintrittsalter wird seit Jahren sukzessive von 65 auf 67 Jahre angehoben. Daneben leistet die gesetzliche Rentenversicherung in bestimmten Fällen auch vorgezogene Altersrenten sowie Erwerbsunfähigkeits- und Erwerbsminderungsrenten. Sie ist außerdem Kostenträger für bestimmte Rehabilitationsleistungen. Besonderheiten für Teilzeitbeschäftigte bestehen, abgesehen von der geringfügigen Beschäftigung, nicht.
Rz. 2
Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass keine gesetzliche Regelung existiert, nach der ein Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Renteneintrittsalters ohne Weiteres enden müsste. Eine solche Regelung bedarf vielmehr der ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Sie findet sich auch in zahlreichen Tarifverträgen.
B. Versicherungspflicht
Rz. 3
Der Kreis der Versicherungspflichtigen ergibt sich aus §§ 1 ff. SGB VI.
Rz. 4
Insbesondere sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 SGB VI. Das gilt auch im Midi-Job, also bei einer Vergütung im sozialversicherungsrechtlichen Übergangsbereich (vormals: Gleitzone) i.S.v. § 20 Abs. 2 SGB IV (vgl. eingehend § 30). Auch während des Bezugs von Kurzarbeitergeld besteht die Versicherungspflicht fort, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 SGB VI.
Rz. 5
Bei geringfügig Beschäftigten unterscheidet das Rentenversicherungsrecht zwischen der geringfügigen Beschäftigung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (Entgeltgeringfügigkeit, auch "Minijobs" oder – bis Ende 2022 – "450-Euro-Jobs" genannt; Einzelheiten unten § 28 Rdn 11 ff.) und der geringfügigen Beschäftigung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV (Zeitgeringfügigkeit; Einzelheiten unten § 28 Rdn 44 ff.). Zudem ergeben sich Besonderheiten für die geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten i.S.v. § 8a SGB IV (vgl. eingehend § 29).
Rz. 6
Eine zeitgeringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung nach ihrer Eigenart auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und die Grenze der Entgeltgeringfügigkeit übersteigt, § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Solche kurzzeitig Beschäftigten sind von der Rentenversicherungspflicht befreit, und zwar auch dann, wenn sie in einem Privathaushalt tätig werden, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 8a SGB IV (vgl. noch § 28 Rdn 77 und § 29).
Rz. 7
Sonstige Personen, die eine geringfügige Beschäftigung ausüben, also insbesondere die so genannten Minijobber, fallen jedoch nicht unter den Befreiungstatbestand des § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI und unterliegen also als Arbeitnehmer der Rentenversicherungspflicht. Auf Antrag werden sie von dieser Versicherungspflicht befreit, § 6 Abs. 1b S. 1 SGB VI (vgl. eingehend §28 Rdn 78 ff. und §29).
Rz. 8
Versicherungsfrei ist, wer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht hat und eine Vollrente wegen Alters bezieht, § 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Wer keine Vollrente bezieht, wird nicht erfasst, auch dann nicht, wenn er eine Teilrente bezieht; das eröffnet legale Gestaltungsmöglichkeiten. Wer die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat, wird von der Versicherungsfreiheit ebenfalls nicht erfasst; eine optionale Ausnahme besteht nur für diejenigen, die auf Basis der früheren Regelung bereits vor dem 1.1.2017 wegen Bezugs einer Vollrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze versicherungsfrei waren, § 230 Abs. 9 SGB VI.
Rz. 9
Versicherungsfrei ist auch, wer erst nach Erreichen der Regelaltersgrenze in ein an sich versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eintritt, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze aber versicherungsfrei (z.B. Beamter oder selbstständig) gewesen ist, oder wer nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Beitragserstattung in Anspruch genommen hat, § 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 SGB VI. Dieser letzte Fall betrifft insbesondere Personen, die zwar bereits Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt, wegen noch nicht erreichter Wartezeit (fünf Jahre, § 50 Abs. 1 SGB VI) aber keinen Rentenanspruch erworben haben. Statt der Erstattung der gezahlten Beiträge (ohne anschließende Leistungen der Rentenversicherung) kommt für diese Personengruppe alternativ in Betracht, durch versicherungspflichtiges Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus die Wartezeit zu erfüllen und dann Rente zu beziehen.
Rz. 10
In beiden vorgenannten Fällen kann man auf die Versicherungsfreiheit verzichten, und zwar durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber. Der Verzicht gilt jeweils nur für die Zukunft und...