A. Typischer Sachverhalt
Rz. 1
In einer Erbengemeinschaft, die aus fünf Kindern des letztverstorbenen Elternteils besteht, gibt es Meinungsverschiedenheiten über die Erbteilung, insbesondere über die Frage, welche Vorempfänge einzelner Miterben in der Erbteilung auszugleichen sind. Weil die Familienmitglieder eigentlich ein gutes Verhältnis untereinander haben und dieses auch auf Dauer erhalten wollen, wollen sie nicht mit einem in der Öffentlichkeit ausgetragenen Rechtsstreit die strittigen Rechtsfragen klären lassen.
Sie einigen sich deshalb auf ein Schiedsverfahren vor einem auf Erbrecht spezialisierten Fachmann, der erst- und letztinstanzlich über die Sache entscheiden, aber möglichst die Angelegenheit vergleichen soll.
B. Letztwillige Schiedsgerichtsanordnung
Rz. 2
Schiedsgerichte in Erbsachen sind zulässig entweder
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aufgrund Anordnung in einer letztwilligen Verfügung (außervertragliches Schiedsgericht) nach § 1066 ZPO oder |
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aufgrund einer Schiedsvereinbarung (vertragliches Schiedsgericht) nach § 1029 ZPO. |
Rz. 3
Die Möglichkeit einer Schiedsgerichtsanordnung durch Verfügung von Todes wegen sieht § 1066 ZPO vor. In der Praxis findet man solche Schiedsklauseln nur selten. Das heißt aber nicht, dass hierfür kein Bedarf bestünde. Im Gegenteil, die Möglichkeit, gerade bei großen Vermögen den langwierigen und dadurch auch kostspieligen Weg der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit ihrem Grundsatz öffentlicher Verhandlungen vermeiden zu können, müsste das Anliegen jedes Erblassers sein.
Rz. 4
Darüber hinaus kann im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit ein auf dem Gebiet des Erbrechts spezialisierter Fachmann als Schiedsrichter bestimmt werden, was zwangsläufig zur Reduzierung möglicher Fehlentscheidungen und somit auch zur Entbehrlichkeit weiterer Instanzen führt. Schiedsverfahren sind in der Regel nicht öffentlich, was für die Parteien von wesentlichem Interesse sein kann (Vertraulichkeit der Familien- und Vermögensverhältnisse). Der dem Schiedsverfahren zugrunde liegende Beschleunigungsgrundsatz (Konzentrationsmaxime) kann im Übrigen zu einer raschen Beilegung der Streitigkeit führen.
C. Zulässigkeit und Umfang
I. Formelle Zulässigkeit
Rz. 5
Der Erblasser kann nach § 1066 ZPO in Form einer letztwilligen Verfügung alle oder bestimmte Streitigkeiten, die ihren Grund (Inhalt und Auslegung der Verfügung von Todes wegen) in dem Erbfall haben, unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf ein Schiedsgericht übertragen, soweit der Streitgegenstand vergleichsfähig ist. Das Schiedsgericht kann im Rahmen seiner Bestellung entsprechend der dem Verfahren zugrunde gelegten Schiedsordnung und im Übrigen nach freiem Ermessen entscheiden. Die Grenze bilden der ordre public und die guten Sitten, §§ 1034, 1041 ZPO. Es wird lediglich ein wirksames Testament oder ein wirksamer Erbvertrag (in Letzterem in der Form einer einseitigen Anordnung nach § 2299 BGB) vorausgesetzt.
Rz. 6
Die Formulierung "für Streitigkeiten, die durch dieses Testament hervorgerufen sind und ihren Grund in dem Erbfall haben", ist eine hinreichend bestimmte Schiedsgerichtsanordnung. Will der Erblasser auf eine bestimmte Schiedsordnung Bezug nehmen und sie damit zum Inhalt der letztwilligen Verfügung machen, so empfiehlt es sich, eine solche Schiedsordnung notariell zu beurkunden, damit die Testamentsform gewahrt ist.
II. Materielle Zulässigkeit
1. Vom Erblasser eingesetztes Schiedsgericht
Rz. 7
Das vom Erblasser in der letztwilligen Verfügung eingesetzte Schiedsgericht hat diejenigen Aufgaben, die ihm vom Erblasser zugewiesen werden, soweit gesetzliche Grenzen nicht überschritten sind. Grundsätzlich können alle vermögensrechtlichen Ansprüche einem Schiedsgericht übertragen werden, § 1030 ZPO. Dies trifft vor allem auf erbrechtliche Ansprüche zu; sie können im Wege der Leistungs-, Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsklage geltend gemacht werden. Es geht dabei um Rechtsanwendung und nicht um die Ersetzung des Erblasserwillens.
Rz. 8
Dem Schiedsgericht kann der Erblasser Entscheidungskompetenz über folgende Regelungsmaterien zuweisen:
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die Erbenfeststellung im Falle eines Streites unter Erbprätendenten, gleichgültig, ob es sich um gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge handelt; der Erblasser braucht keine Erbeinsetzung vorgenommen zu haben; es würde reichen, lediglich ein Schiedsgericht zur Feststellung der gesetzlichen Erbfolge einzusetzen, davon ausgenommen ist aber das Erbscheinsverfahren selbst und das sich daran anschließende Beschwerdeverfahren, |
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Feststellung des Eintritts oder des Ausfalls einer Bedingung, |
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die Erbauseinandersetzung, |
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Fragen der Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen nach §§ 2050 ff. BGB, |
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Feststellungsklage über Modalitäten der Erbteilung, um diese vorzubereiten und zur Vermeidung der Erbteilungsklage, |
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Streitigkeiten über ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung, |
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Streitigkeiten zwischen Erben und Vermächtnisnehmern, die ihren Grund in der Verfügung von Todes wegen haben, |
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Auslegung einer Verfügung von Tod... |