Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 138
Sind – noch minderjährige – Kinder aus der Ehe hervorgegangen, so bleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht beider Eltern. Jedoch kann jeder Elternteil die Übertragung des alleinigen Sorgerechts beantragen (§ 1671 BGB).
Rz. 139
Praxistipp:
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Der Kampf um das alleinige Sorgerecht oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht gehört in der familienrechtlichen Praxis zu den besonders unangenehmen Rechtsstreitigkeiten. Hier kochen regelmäßig die Emotionen hoch und es wird nicht selten mit harten Bandagen gekämpft. |
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Zerstrittene Eheleute neigen dazu, die Frage des Sorgerechts oder des Umgangs mit dem Kind zur "letzten Abrechnung" mit dem anderen Ehepartner zu nutzen. Das Kindeswohl wird dabei zwar oft zitiert, steht aber dabei vielfach nicht im Mittelpunkt der Überlegungen. Oft geht es um eine sehr eigensüchtige und wenig sachgerechte Durchsetzung der eigenen Interessen des Elternteils. |
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Die Eltern müssen einsehen, dass die Trennung eines Elternteils vom anderen nicht auch zu einer Trennung des Kindes vom anderen Elternteil führen muss. Sie müssen lernen, die Probleme der "Paar-Ebene" von der "Eltern-Ebene" zu trennen. Dieser Lernprozess sollte von allen Beteiligten – auch vom eigenen Anwalt – intensiv unterstützt werden. |
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Die Kinder müssen das Recht behalten, auch in der Auseinandersetzung der Eltern neutral zu bleiben. Dieses Recht müssen die Eltern ihnen auch einräumen und sie aus ihren partnerschaftlichen Streitigkeiten heraushalten. |
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Bei Konflikten zwischen den Eltern stehen die Kinder sonst vor der Schwierigkeit, sich für einen Elternteil entscheiden zu müssen und dabei auch eine Entscheidung gegen den anderen Elternteil treffen zu müssen – obwohl sie dies gar nicht wollen! |
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In der Praxis ist die frühzeitige Einschaltung des Jugendamtes sehr hilfreich, das oft bereits eine erfolgreiche Vermittlung durchführt und einen einvernehmlichen Vorschlag der Eheleute vorbereitet. |
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Daher sollte so früh wie möglich eine – möglichst einvernehmliche – Regelung des Umgangs zwischen den Eheleuten getroffen werden. Je eher sich die Eltern und die Kinder daran gewöhnen, desto besser. |
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Der beratende Anwalt sollte der Mandantin oder dem Mandanten die jenseits aller Emotionen liegenden Entscheidungskriterien der Familiengerichte deutlich machen. |
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Zudem sollte immer versucht werden, gerade im Interesse des Kindes den Streit nicht anzufachen, sondern zu dämpfen. |
Rz. 140
Ist der andere Elternteil einverstanden mit der Übertragung des alleinigen Sorgerechts, so ist dennoch eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Das Sorgerecht und Teile des Sorgerechts sind für Eltern nicht disponibel. Die Vereinbarung der Eltern allein hat noch keine rechtlichen Auswirkungen auf das Sorgerecht, sondern ist nur Grundlage einer entsprechenden gerichtlichen Gestaltungsentscheidung.
Rz. 141
Widerspricht das über 14 Jahre alte Kind, so muss das Gericht nicht zwingend vom Vorschlag der Eltern abweichen, sondern ist nur zu einer umfassenden Kindeswohlprüfung nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB verpflichtet.
Praxistipp:
Das Kind hat also kein Vetorecht, sondern kann lediglich verhindern, dass der elterliche Vorschlag ohne Sachprüfung umgesetzt wird.
I. Gerichtliche Entscheidung bei vorhandenem Einverständnis des anderen Elternteils (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB)
Rz. 142
Ist der andere Elternteil einverstanden mit der Übertragung des alleinigen Sorgerechts, so ist dennoch eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Das Sorgerecht und Teile des Sorgerechts sind für Eltern nicht disponibel. Die Vereinbarung der Eltern allein hat noch keine rechtlichen Auswirkungen auf das Sorgerecht, sondern ist nur Grundlage einer entsprechenden gerichtlichen Gestaltungsentscheidung.
Rz. 143
OLG Koblenz, Beschl. v. 18.8.2015 – 11 UF 353/15
Zitat
1. Die Zustimmung des einen Elternteils zur Übertragung des Sorgerechts auf den anderen ist höchstpersönlicher Natur. Sie kann daher nicht durch den Verfahrensbevollmächtigten schriftsätzlich oder im Gerichtstermin erklärt werden.
2. Die Zustimmung des einen Elternteils zur Übertragung des Sorgerechts auf den anderen muss unbedingt erfolgen.
Rz. 144
Widerspricht das über 14 Jahre alte Kind, so muss das Gericht nicht zwingend vom Vorschlag der Eltern abweichen, sondern ist nur zu einer umfassenden Kindeswohlprüfung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB verpflichtet. Das Kind hat also kein Vetorecht, sondern kann lediglich verhindern, dass der elterliche Vorschlag ohne Sachprüfung umgesetzt wird.
II. Gerichtliche Entscheidung bei fehlendem Einverständnis des anderen Elternteils (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB)
Rz. 145
Gemäß § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge ohne Zustimmung des anderen Elternteils stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht.
Rz. 146
Die gesetzlich...