Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 67
Das Verfahren in Sorge- und Umgangsverfahren (Kindschaftssachen) ist in den §§ 151 ff. FamFG geregelt. Die Gerichte müssen das Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können. In Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz bleibt es dem erkennenden Gericht überlassen, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen.
1. Zuständigkeit
Rz. 68
Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (§ 152 Abs. 2 FamFG). Bei Anhängigkeit einer Ehesache ist das für die Ehesache zuständige Gericht auch für die Kindschaftssachen zuständig (§ 152 Abs. 1 FamFG). Eine bei einem anderen Gericht anhängige Kindschaftssache ist daher nach der Zustellung des Scheidungsantrages an das Gericht der Ehesache zu verweisen.
Rz. 69
Die internationale Zuständigkeit richtet sich abgestuft nach folgenden Vorschriften:
1. |
Brüssel IIa (EG-VO Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003), |
2. |
MSA (Minderjährigenschutzabkommen), für Nicht-EU Staaten, |
3. |
dann erst nach dem Auffangtatbestand des § 99 FamFG (Wohnsitz des minderjährigen Kindes). |
2. Beschleunigungs- und Vorrangsgebot (§ 155 Abs. 2 FamFG)
Rz. 70
Es gilt das Beschleunigungs- und Vorrangsgebot des §°155 FamFG. Aufgrund des Beschleunigungsgebots des § 155 Abs. 1 FamFG ist das Familiengericht gehalten, die aus seiner Sicht notwendigen Ermittlungen von Amts wegen zu führen, um so die Entscheidungsreife des Verfahrens herbeizuführen und – wenn die Eltern sich nicht einigen können – zeitnah in der Sache zu entscheiden.
Praxistipp:
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Das Gericht soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens ein Termin stattfinden, in dem die Beteiligten und das Jugendamt persönlich anzuhören sind. |
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Das Beschleunigungsgebot hat auch Auswirkungen auf Vertagungsanträge der Beteiligten, die nur aus zwingenden Gründen Erfolg haben (§ 155 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG). Eine Terminkollision des Anwalts ist regelmäßig kein zwingender Grund! |
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Diese Vorgaben können auch dazu führen, dass das Gericht einen Termin in einer anderen Sache, die nicht dem Beschleunigungsgebot unterliegt, aufheben muss. |
Rz. 71
Jedoch ist auch das Beschleunigungsgebot kein Selbstzweck, sondern wird durch das Kindeswohl geprägt und ggf. begrenzt – insbesondere dort, wo die Aufklärung des Sachverhalts im Vordergrund steht.
Rz. 72
Bei Fällen von Gewalttätigkeit, Verdacht von sexuellem Missbrauch usw. gelten Besonderheiten bei der Vorgehensweise (gründliche Aufklärung statt Beschleunigung, besondere Schutzmaßnahmen, Einschränkungen der Anwesenheitsrechte bei der Anhörung).
Rz. 73
Praxistipp:
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Grundsätzlich gilt § 155 FamFG auch in der zweiten Instanz. |
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Problematisch ist allerdings, dass die Fristen zur Beschwerdebegründung nicht zu dieser kurzen Frist passen. |
§ 158 FamFG verlangt in zahlreichen Fällen die Bestellung eines Verfahrensbeistandes für das Kind, dazu Rdn 86.
3. Beteiligte des Verfahrens und Anhörungspflichten
a) Grundsätzliches
Rz. 74
Die Beteiligung an Kindschaftssachen i.S.d. § 151 FamFG richtet sich nach § 7 FamFG.
b) Eltern
Rz. 75
Die Eltern – auch die nicht sorgeberechtigten Elternteile – sind stets Beteiligte (§ 7 FamFG), die stets gem. § 160 FamFG anzuhören sind. Eine Anhörung kann nur aus schwerwiegenden Gründen (§ 160 Abs. 3 FamFG) unterbleiben, beim nicht sorgeberechtigten Elternteil, wenn keine Aufklärung erwartet werden kann (z.B.: nicht ehelicher Vater hat nie mit Mutter und Kind zusammen gelebt), § 160 Abs. 2 FamFG.
Die Anhörung von Kindern richtet sich nach § 159 FamFG.
Die Anwesenheit des Verfahrensbeistands ist vorgeschrieben (§ 159 Abs. 4 S. 3 FamFG), während die übrigen Beteiligten kein Recht auf Teilnahme haben.
c) Beteiligung des Jugendamtes (§ 162 Abs. 2 FamFG)
Rz. 76
Das Jugendamt soll das Familiengericht bei allen Maßnahmen unterstützen, die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen (§ 50 SGB VIII). Es nimmt dabei eine eigenverantwortlich zu erfüllende Aufgabe als sozialpädagogische Fachbehörde wahr.