Leitsatz (amtlich)
Behauptet ein Elternteil, der die alleinige elterliche Sorge für das gemeinsame Kind erstrebt, u.a., der andere Elternteil habe sich gegen ihn gewalttätiger Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung schuldig gemacht - was dieser bestreitet -, und lehnt er daher einen - auch begleiteten - Umgang dieses Elternteils mit dem Kind ab, so muss dem Kind im Sorgerechtsverfahren wegen § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ein Verfahrensbeistand bestellt werden. Unterbleibt dies, kann die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Beschwerdegericht gerechtfertigt sein.
Verfahrensgang
AG Saarlouis (Aktenzeichen 21 F 281/17 S) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird Ziffer III. des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Saarlouis vom 21. September 2018 - 21 F 281/17 S - einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren - an das Familiengericht zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
3. Beschwerdewert: 3.000 EUR.
4. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren mit Wirkung vom 5. November 2018 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin ... pp. beigeordnet.
Gründe
I. Die am XX.XX.XXXX geborene Antragstellerin, deutsche Staatsangehörige, und der am XX.XX.XXXX geborene Antragsgegner, türkischer Staatsbürger, haben am XX.XX.XXXX die Ehe geschlossen, aus der das am XX.XX.XXXX geborene Kind A. S. hervorgegangen ist.
Mit ihrem am 21. August 2017 eingegangenem Antrag hat die Antragstellerin auf Scheidung der Ehe und Übertragung des alleinigen Sorgerechts für A. angetragen.
Bezüglich der Übertragung der Alleinsorge hat sie vorgetragen, dass sie sich bisher allein um die Belange des Kindes gekümmert habe, da, was unstreitig ist, der Kindesvater seit der Heirat in der Türkei gelebt habe und dort seinen Lebensmittelpunkt habe. Es sei, namentlich da der Antragsgegner ihr gegenüber gewalttätig geworden sei und sie im Juni 2015 vergewaltigt habe, keine Grundlage für eine Kommunikation der Kindeseltern vorhanden.
Der Antragsgegner ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, weiter am Leben des Kindes teilhaben zu wollen; die Kindesmutter versuche mit allen Mitteln, eine Entfremdung zwischen ihm und der Tochter herbeizuführen und ihn von dem Kind fernzuhalten. Er lebe nunmehr in Deutschland. Er sei damit einverstanden, dass A. ihren Aufenthalt bei der Kindesmutter habe, im Übrigen solle es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben.
Ein von der Antragstellerin im Februar 2018 gegen den Antragsgegner beim Familiengericht Saarlouis eingeleitetes Gewaltschutzverfahren (21 F 122/18 EAGS) fand nach mündlicher Verhandlung am 19. März 2018 durch Rücknahme des Antrages seine Erledigung.
In einem von dem Antragsgegner am 19. März 2018 beim Familiengericht Saarlouis eingeleiteten Verfahren auf Regelung des Umgangs im Wege der einstweiligen Anordnung wurde durch Beschluss des Familiengerichts vom 16. Mai 2018 - 21 F 161/18 EAUG - im Wege der einstweiligen Anordnung der Umgang geregelt.
In dem von dem Antragsgegner am 21. März 2018 beim Familiengericht Saarlouis eingeleiteten Verfahren auf Regelung des Umgangs - 21 F 163/18 UG - hat das Familiengericht für das Kind A. mit Beschluss vom 25. Mai 2018 einen Verfahrensbeistand bestellt und mit Beschluss vom 28. September 2018 die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens angeordnet. Nachdem die zunächst beauftragte Dipl.-Psychologin C. H. das Gutachten wegen der Weigerung der Kindesmutter, im Rahmen der Begutachtung einen Umgang stattfinden zu lassen, nicht erstatten konnte, hat das Familiengericht nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom 6. März 2019 den Sachverständigen Dipl.-Psych. R. F. mit der Gutachtenerstattung beauftragt. Das Gutachten liegt noch nicht vor.
Zugleich hat es in dem Verfahren 21 F 397/18 EAUG durch Beschluss vom 28. September 2018 den Umgang des Kindesvaters mit A. im Wege der einstweiligen Anordnung geregelt.
Das Familiengericht hat im vorliegenden Verfahren nach Anhörung der Kindeseltern, des Kindes und der Vertreterin des Jugendamtes durch den angefochtenen Beschluss vom 21. September 2018, auf den Bezug genommen wird, die Ehe der Beteiligten geschieden (Ziffer I., rechtskräftig), festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet (Ziffer II., rechtskräftig), und den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung des Sorgerechts, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts für A. auf sie allein, zurückgewiesen. Da der Antragsgegner den Aufenthalt des Kindes bei der Kindesmutter nicht in Frage stelle und auch im Übrigen keine hinreichenden Umstände vorlägen, die eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge rechtfertigten, vielmehr der Eindruck entstehe, dass die Antragsgegnerin Argumente nachschiebe bzw. austausche, um ihr Bestreben nach einem alleinigen Sorgerecht für das Kind durchzusetz...