Rz. 14
Bis zur Erbauseinandersetzung des Nachlasses steht dieser der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zu. Eine Ausnahmen gilt lediglich bei der Zugehörigkeit von Anteilen an Personengesellschaften zum Nachlass.
Gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AO sind aus diesem Vermögen resultierende Einkünfte einheitlich und gesondert festzustellen. Die Erbengemeinschaft wird damit zwar nicht zum Steuersubjekt, denn die Besteuerung der Einkünfte erfolgt über die Erben, aber die Erbengemeinschaft wird zum Beteiligten im Besteuerungsverfahren mit Auswirkung auf die Einkommensteuer der Gesamthänder (Miterben).
aa) Gewinneinkünfte
Rz. 15
Die Erben werden Mitunternehmer gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, soweit zum Nachlass ein gewerbliches, freiberufliches oder land- und forstwirtschaftliches Einzel-Unternehmen gehört.
Gehören zum Nachlass freiberufliche und gewerbliche Unternehmen, findet § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (Abfärberegelung) keine Anwendung.
Rz. 16
Gehört zum Nachlass ein freiberufliches Unternehmen und sind nicht alle Miterben Angehörige dieses freien Berufes, setzt die Erbengemeinschaft das freiberufliche Unternehmen als Gewerbebetrieb fort. Diese negative Folge kann durch die unten beschriebene rückwirkende Zurechnung der Einkünfte auf den bei der Auseinandersetzung übernehmenden Miterben vermieden werden (siehe Rdn 18).
bb) Überschusseinkünfte
Rz. 17
Soweit zum Nachlass Ertrag bringendes Privatvermögen, wie z.B. Kapital- oder Immobilienvermögen, gehört, fließen nach dem Erbfall die aus diesem Vermögen resultierenden Erträge den Erben gemeinsam zu. Es ergeben sich gemeinschaftliche Einkünfte gem. §§ 20 oder 21 EStG, die wie bei den Gewinneinkünften gem. §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AO gesondert festzustellen sind. Die Einkünfte stehen den Erben nach ihrem Erbteil zu.
cc) Abweichende Zurechnung der Einkünfte
(1) Durch Vereinbarung der Miterben
Rz. 18
Erfolgt eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall, müssen die Einkünfte nicht einheitlich und gesondert festgestellt werden, sondern können direkt einem Miterben zugeordnet werden, wenn die Einkunftsquelle von diesem Miterben übernommen wird und die Miterben bei der Auseinandersetzung vereinbaren, dass die Einkünfte aus der übernommenen Einkunftsquelle dem Miterben von Anfang an zuzurechnen sind.
Die Vereinbarung muss eine klare und rechtlich bindende Regelung über die Auseinandersetzung und ihre Modalitäten enthalten und den Übergang von Nutzungen und Lasten für die von ihr betroffenen Wirtschaftsgüter auf den Zeitpunkt des Erbfalls festlegen. Die Vereinbarung muss auch tatsächlich durchgeführt werden. Wertfindungen können auch noch nach der Sechs-Monatsfrist erfolgen.
(2) Bei Teilungsanordnung
Rz. 19
Bei Vorliegen einer Teilungsanordnung kann die Auseinandersetzung auch später erfolgen, wenn die Miterben sich bereits vor der Erbauseinandersetzung entsprechend verhalten, d.h. dem begünstigten Miterben die Einkunftsquelle aus dem Nachlass intern zuordnen.
(3) Bei Vermächtnissen
Rz. 20
Soweit eine Einkunftsquelle durch Sachvermächtnis übertragen wird, bleibt die Erbengemeinschaft nach Auffassung der Finanzverwaltung Bezieher der Erträge aus der Einkunftsquelle, bis die Übertragung tatsächlich durchgeführt ist. Eine Rückwirkung lässt die Finanzverwaltung nicht zu. Der im BMF-Schreiben vom 14.3.2006 genannte Ausnahmefall ist ein Sonderfall, der in der Praxis regelmäßig nicht vorkommen wird. Denn der Vermächtnisnehmer muss bereits vor Erfüllung des Vermächtnisses die wirtschaftliche Sachherrschaft über die Einkunftsquelle erhalten haben und tatsächlich in der Weise ausüben, dass er die Erbengemeinschaft auf Dauer von der Einwirkung auf die Einkunftsquelle wirtschaftlich ausschließen kann.
Die Rechtsprechung lässt eine rückwirkende Zurechnung der Einkünfte aus einer durch Sachvermächtnis zu übertragenden Einkunftsquelle jedenfalls dann zu, wenn sich die Erfüllung des Vermächtnisses aufgrund von Unklarheiten der erbrechtlichen Fragen verzögert hat.