Rz. 48
Die Erbauseinandersetzung mit Abfindung, d.h. mit einem durch einen Miterben gezahlten Spitzen- oder Wertausgleich, stellt insoweit einen entgeltlichen Vorgang dar. Keine Abfindung ist die Übernahme von Verbindlichkeiten eines Miterben über seine Erbquote hinaus.
Rz. 49
Hinsichtlich der Übernahme von Verbindlichkeiten über die Erbquote hinaus ist die Rechtsprechung teilweise anderer Auffassung. Der IX. Senat des BFH führt in seinem Urteil vom 14.12.2004 aus, dass auch übernommene Verbindlichkeiten des Erben Anschaffungskosten darstellen, soweit sie die Erbquote übersteigen. Diese Auffassung steht im Gegensatz zur Saldothese des Großen Senats vom 5.7.1990, wonach so lange kein entgeltliches Geschäft vorliegt, wie der Erbe bei der Auseinandersetzung nicht mehr erhält, als seine Erbquote, angewendet auf den Saldo aus Aktiv- und Passivvermögen des Nachlasses, ergibt. Die Finanzverwaltung wendet das Urteil des IX. Senats über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an.
aa) Betriebsvermögen
Rz. 50
Betrifft die Erbauseinandersetzung Betriebsvermögen, entstehen dem zahlenden Miterben Anschaffungskosten und beim Miterben, der die Zahlung erhält, liegt ein Veräußerungserlös vor. Gelangen die bei der Erbauseinandersetzung erworbenen Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen des Miterben, ist der Verkaufserlös nicht gem. §§ 16, 34 EStG begünstigt, sondern laufender Gewinn. Bei Übertragung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen und Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven ergibt sich ein begünstigter Aufgabegewinn gem. §§ 16, 34 EStG.
Rz. 51
Die gezahlte Abfindung führt regelmäßig nur anteilig zu Anschaffungskosten, denn den seiner Erbquote entsprechenden Teil des Betriebsvermögens erhält der Miterbe aus dem Nachlass unentgeltlich. Der Anteil des entgeltlichen Erwerbs ergibt sich aus dem Verhältnis von Abfindungszahlung zum Teilwert des übernommenen Betriebsvermögens.
Beispiel 5 aus dem BMF-Schreiben vom 14.3.2006
S und T sind Miterben zu je ½. Zum Nachlass gehört ein Betriebsvermögen, das aus dem Grundstück 1 (Teilwert 2 Mio. EUR, Buchwert 200.000 EUR) und dem Grundstück 2 (Teilwert 1,6 Mio. EUR, Buchwert 160.000 EUR) besteht. S erhält das Grundstück 1 und zahlt an T 200.000 EUR Abfindung. T erhält Grundstück 2 und die Abfindung. Beide bringen die Grundstücke in ein ihnen gehörendes Betriebsvermögen ein.
S stehen an dem Nachlass wertmäßig 1,8 Mio. EUR zu. Da er aber das Grundstück 1 im Wert von 2 Mio. EUR erhält, also 200.000 EUR mehr, zahlt er diesen Betrag für 1/10 (200.000 EUR / 2 Mio. EUR = 1/10) des Grundstückes 1, das er erhält. S erwirbt also 9/10 des Grundstückes 1 unentgeltlich und 1/10 entgeltlich. Auf diese 1/10 entfällt ein Buchwert von 20.000 EUR, sodass S den Grundstücksbuchwert in seiner Bilanz um 180.000 EUR aufstocken muss und T einen Gewinn von 180.000 EUR (200.000 EUR Abfindung ./. 20.000 EUR anteiliger Buchwert) als laufenden Gewinn zu versteuern hat. Im Übrigen (für 9/10 des Nachlasses) liegt eine steuerneutrale Realteilung vor.
bb) Privatvermögen
Rz. 52
Wie bereits beim Vorliegen von Betriebsvermögen stellt die Erbauseinandersetzung unter Zahlung einer Abfindung als Spitzenausgleich insoweit einen entgeltlichen Vorgang dar. Der zahlende Miterbe hat in Höhe der Abfindung Anschaffungskosten und der Zahlungsempfänger einen Veräußerungserlös. Führt der Veräußerungserlös zu einem Gewinn, ist dieser abweichend von der Regelung beim Betriebsvermögen allerdings nur dann steuerbar, wenn die Voraussetzungen der §§ 17, 23 EStG oder § 21 UmwStG vorliegen.
(1) § 17 EStG
Rz. 53
Hiernach kann ein Veräußerungsgewinn steuerbar sein, wenn es sich um die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften handelt, an denen der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % beteiligt war. Bezüglich der Erbengemeinschaft wird nach der Bruchteilsbetrachtung davon ausgegangen, dass jedem Miterben der seinem Erbteil entsprechende Anteil an der Beteiligung zuzurechnen ist
Beispiel 11 des BMF-Schreibens vom 14.3.2006
Erblasser E, zu dessen Privatvermögen eine 50 %ige Beteiligung an einer GmbH gehörte, wird von A und B beerbt. Im Zuge der Erbauseinandersetzung erhält A die gesamte Beteiligung gegen Ausgleichung an B für dessen hälftigen Anteil.
A erlangt – auf der Grundlage getrennter Rechtsgeschäfte – die Beteiligung zum einen i.H.v. ½ (25 %) in Erfüllung seines erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs entsprechend § 11d EStDV und zum anderen bezüglich des Mehrempfangs entgeltlich von B. B erzielt in Höhe der Ausgleichszahlung einen Veräußerungserlös, ...