Rz. 1
Nach der Neufassung des ErbStG durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) sowie der Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes vom 4.11.2016 aufgrund der Entscheidung des BVerfG v. 17.12.2014 ergeben sich Fragestellungen für die Steuerfreistellung des Betriebsvermögens in § 13a ErbStG und des Erwerbes des Familienheims in § 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c ErbStG.
Rz. 2
Für die Erbschaftsteuer ergeben sich im Zusammenhang mit der Erbengemeinschaft keine Besonderheiten, denn die persönliche Steuerpflicht richtet sich gem. § 2 ErbStG gegen die natürliche Person des Erben und nicht gegen die Erbengemeinschaft.
1. Betriebsvermögen
Rz. 3
Die Aufteilung eines Freibetrages unter den Erwerbern durch den Erblasser ist nicht mehr geregelt, da das Gesetz einen Abschlag auf das erworbene Vermögen selbst vorsieht. Die Steuerbefreiung hängt somit am Betrieb und nicht am Erwerber. Bei mehreren Erwerbern reduziert sich deren Erwerb damit jeweils anteilig.
Rz. 4
Soweit im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ein Erwerber das gesamte Betriebsvermögen erhält, steht ihm auch die gesamte Steuerbefreiung zu. Im Gegenzug treffen ihn auch vollständig die Pflichten aus der Lohnsummen- und Behaltensregelung.
Rz. 5
Da die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen an die langfristige Erfüllung von Bedingungen (Lohnsummenregelung § 13a Abs. 3 ErbStG: mind. fünf Jahre/Behaltensregel § 13a Abs. 6 ErbStG: fünf Jahre) geknüpft ist, stellt sich bei der Fortführung von Betrieben durch Erbengemeinschaften die Frage, ob diese Bedingungen betriebs- oder erwerberbezogen anzuwenden sind.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Behaltensfrist für jeden Erwerber gesondert zu prüfen. Die Lohnsumme kann aber nur betriebsweit ermittelt werden, sodass insoweit eine Einigkeit der fortführenden Erbengemeinschaft hinsichtlich der Einhaltung dieser Regelung erzielt werden sollte. Sobald sich die Mitglieder einer Erbengemeinschaft einig sind, die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu wollen, müssen sie sich für die vom Gesetzgeber vorgesehene Überwachungszeit auch einig bleiben. Entsprechende Regelungen zur Binnenverfassung der Erbengemeinschaft sollten daher dringend getroffen werden. Im Zweifel sollte die Auseinandersetzung des Nachlasses so erfolgen, dass nicht mehrere Erben gemeinsam das Betriebsvermögen erhalten, um die beschriebenen Abstimmungsschwierigkeiten zu vermeiden.
Rz. 6
Werden in den Vergleich der Lohnsummen Zahlungen aus dem Zeitraum 1.3.2020 bis 30.6.2022 einbezogen, kann eine abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 Abs. 1 AO oder Steuererlass gem. § 227 AO beantragt werden, wenn die Mindestlohnsumme ausschließlich aufgrund der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten COVID-19-Pandemie unterschritten wird und es allein deshalb zu einer Nachversteuerung nach § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG ggf. i.V.m. § 13a Abs. 10 oder § 13c Abs. 2 S. 1 ErbStG kommt oder kommen würde oder ein Erlass nach § 28a Abs. 1 ErbStG gemäß § 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt.
2. Familienheim
Rz. 7
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bleibt der Erwerb eines Grundstückes von Todes wegen steuerfrei, soweit der Erblasser in dem Grundstück eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und Erwerber Kinder oder Enkel der Steuerklasse I Nr. 2 sind und soweit die Wohnung 200 m² nicht übersteigt. Die Steuerfreiheit gilt nicht nur für den Erwerb des Eigentums, sondern auch für den Erwerb des Miteigentums, was möglicherweise den Fall der Erbengemeinschaft regeln soll, tatsächlich aber nicht regelt. Weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung ist die unverzügliche Selbstnutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken durch den Erben. Der Erwerb durch den Ehegatten ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ebenfalls befreit, enthält allerdings nicht die Größenbeschränkung auf 200 m².
a) Wie wird die Steuerbefreiung auf heterogene Erbengemeinschaften angewendet?
Rz. 8
Eine heterogene Erbengemeinschaft im Sinne der Regelung des § 13 ErbStG liegt vor, wenn nicht nur Erben der Steuerklasse I Nr. 2, also Kinder oder Kinder verstorbener Kinder, Miterben sind, sondern auch Dritte. Weitere Probleme dürften sich ergeben, wenn neben den Kindern auch der Ehegatte Miterbe ist, auf den der eigene Tatbestand der Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG Anwendung findet. Der Sachverhalt wird weiter erschwert, wenn das Familienheim auch noch größer als 200 m² ist. Bereits durch Erlass der Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 wurde dieser Sachverhalt inzwischen geklärt und entsprechend auch in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 behandelt. Nach Beispiel 2 der Erbschaftsteuerrichtlinien...