Rz. 126
Rz. 127
Beispiel 37
Erblasser V wird von seiner Ehefrau E sowie seinen beiden Söhnen S und B beerbt. Im Zuge der Ordnung des Nachlasses stellt B fest, dass V in den fünf Jahren vor dem Erbfall erhebliche Provisionseinkünfte aus Immobiliengeschäften in seiner Steuererklärung nicht angegeben hat. Während es sich regelmäßig um Hinterziehungsbeträge von 50.000 EUR handelte, war er in einem besonders guten Jahr ein Hinterziehungsbetrag von 300.000 EUR festzustellen. Die Mutter und Miterbin räumt auf Nachfrage ein, dass sie von diesen Steuerhinterziehungen gewusst habe und dem V bei dem Schweizer Bankkonto und bei den Steuererklärungen geholfen habe.
Rz. 128
Im Zusammenhang mit der Abschaffung des § 370a AO (schwere Steuerhinterziehung) stand die weitere Zielrichtung, derartige Vortaten effektiv zu verfolgen, zum Zwecke der Bekämpfung der Geldwäsche. Eine Bevorzugung von Schwarzgeld aus Steuerhinterziehungen wäre sonst gegenüber bemakeltem Geld aus anderen Vortaten bevorzugt worden. Der Gesetzgeber hat nunmehr die Hochstufung zum Verbrechen wieder zurückgenommen und ist zur von der Literatur ohnehin bevorzugten Strafzumessungslösung zurückgekehrt. In § 370 Abs. 3 AO sind benannte besonders schwere Fälle aufgezählt, bei denen das Gesetz selbst durch die aufgezählten Regelbeispiele für die Gesamtwürdigung der Tat nähere Anhaltspunkte gibt. Diese Regelbeispiele führen zu einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. In § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO ist nunmehr nur noch von der Steuerverkürzung ohne der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile "in großem Ausmaß" die Rede.
Die besonders schweren Fälle des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO sind als bloße Strafzumessungsnormen konzipiert, die keinen eigenständigen Qualifikationstatbestand bilden. Sie machen ohnehin eine Gesamtwürdigung erforderlich. Diese Regelungstechnik wird von der modernen Strafgesetzgebung bevorzugt, da sie in verfassungskonform die Möglichkeit flexibler Handhabung und einer Präzisierung von Gesetzeszwecken in der staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Praxis bietet.
Rz. 129
Die Regelbeispiele ergeben eine Vermutung dafür, dass der Fall insgesamt als besonders schwer anzusehen ist; allerdings ist die indizielle Wirkung des Regelbeispiels widerlegbar durch andere Strafzumessungsfaktoren, die freilich jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit gewichtig sein müssen, um die Indizwirkung zu entkräften. Eigentlich würde die Verjährungsfrist von 5 Jahren ab Beendigung der Tat greifen, da der erhöhte Strafrahmen des besonders schweren Falles im § 370 Abs. 3 AO nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führt (vgl. § 78 Abs. 4 StGB). Durch die Regelung in § 376 Abs. 1 AO hat der Gesetzgeber systemwidrig für die Fälle der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß die Verjährungsfrist auf 10 Jahre verlängert.
Auf die Verzahnung dieser Normen mit § 261 StGB ist hinzuweisen: Als Vortat für Geldwäsche ist die gewerbsmäßige oder bandenmäßige (einfache) Steuerhinterziehung aufgeführt, die so von § 261 StGB selbst der organisierten Kriminalität zugerechnet wird.
Rz. 130
Die Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung wird dann angenommen, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Ein kriminelles Gewerbe ist nicht erforderlich. Im Rahmen der Blankettnorm des § 370 AO ist aufgrund der steuerrechtlich vorgegebenen regelmäßigen Erklärungspflichten das Steuerstrafrecht geprägt durch eine serielle Begehungsweise; steuerunehrliches Verhalten zieht sich regelmäßig über längere Zeiträume hin. Auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit festgeschrieben. Die weitere Alternative der bandenmäßigen Begehung dürfte im Vergleich zu der gewerbsmäßigen Begehungsvariante damit deutlich in den Hintergrund treten, wenn auch bei einmal begonnenem steuerunehrlichen Verhalten regelmäßig mehrere Personen in komplexe Hinterziehungsgeschehen eingebunden sind, so dass nicht eben selten auch die bandenmäßige Begehung nahe liegen kann, denn für die bandenmäßige Begehung genügt auch die Mitwirkung eines Gehilfen, wenn insgesamt mindestens 3 Personen mitwirken.
Rz. 131
Dies hat folgende Auswirkungen für die Mitglieder der Erbengemeinschaft: Hat der Erblasser gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung begangen, so steht mit Auseinandersetzung des Nachlasses hinsichtlich sämtlicher Vermögensgegenstände zumindest eine Strafbarkeit gem. § 261 Abs. 1 S. 1 StGB in Rede. Zwar mag der Erwerb von Todes wegen bei bemakelten Gegenständen und entsprechender Gut...