Dr. iur. Artur-Konrad Wypych
A. Rechtsgrundlagen Technischer Arbeitsschutz
Rz. 1
Der Umgang mit dem technischen Arbeitsschutzrecht wird erschwert durch das Fehlen einer klaren Struktur. Im Laufe der Zeit ist eine große Zahl von Einzelvorschriften geschaffen worden, die parallel nebeneinanderstehen und nur in seltenen Fällen aufeinander abgestimmt und miteinander verknüpft sind. Die Erwartungen an eine Vereinheitlichung dieses Rechtsgebietes, die nach Erlass der ersten EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (89/391/EWG) im Jahr 1989 entstanden waren, haben sich bedauerlicherweise bisher nicht erfüllt. Die Umsetzung dieser RL in deutsches Recht durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von 1996 hat dies nur in kleinen Ansätzen leisten können. Ausdrücklich klargestellt wird dort, dass die sonstigen, der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten dienenden Vorschriften vom ArbSchG unberührt bleiben (§ 1 Abs. 3 ArbSchG).
Rz. 2
Ungeachtet des umfassenden Titels "Arbeitsschutzgesetz" sollte deshalb nicht der Eindruck entstehen, Fragen des Arbeitsschutzes seien seither nur noch nach diesem Gesetz zu beurteilen. Es wird zwar z.T. als "Grundgesetz des Arbeitsschutzes" bezeichnet (Kollmer, NJW 1997, 2019), beschränkt sich jedoch weitestgehend auf die Umsetzung von EU-Recht. Wesentliche Anforderungen des Arbeitsschutzes ergeben sich nach wie vor aus den unterschiedlichen Fachgesetzen wie z.B. ChemG, GenTG, ASiG, ProdSG, ArbZG und deren Ausführungsvorschriften. Grundsätzlich kommt den Vorschriften des technischen Arbeitsschutzes eine Doppelwirkung zu, wenn ihre Schutzpflichten über § 618 Abs. 1 BGB in das Arbeitsvertragsrecht "transformiert" werden. Dann folgt aus den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen eine unabdingbare privatrechtliche Pflicht des Arbeitgebers im Sinne eines Mindeststandards (so BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 241/08).
Rz. 3
Die Gesundheitsvorsorge durch ärztliche Untersuchung und Betreuung ist sowohl in den Vorschriften des sozialen als auch in denen des technischen Arbeitsschutzes geregelt.
Rz. 4
Insgesamt ist das Recht des technischen Arbeitsschutzes höchst uneinheitlich ausgestaltet und auf zahlreiche Vorschriften verteilt. Diese beziehen sich zum größten Teil jeweils auf bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, bestimmte Tätigkeiten, den Umgang mit bestimmten Stoffen usw. Hinzu kommt, dass neben dem staatlichen "Gesetzes"-Recht ein erheblicher Teil der Regelungen aus der autonomen Rechtsetzung der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung stammt (vgl. § 22 Rdn 31).
Rz. 5
Insbesondere das technische Arbeitsschutzrecht befindet sich zwangsläufig in einer ständigen Entwicklung, da es den laufenden Veränderungen im Bereich der Naturwissenschaften, der Anlagentechnik, der Produktionstechnologie, aber ebenso neuen medizinischen Erkenntnissen Rechnung tragen muss. Im Folgenden sollen aus der großen Zahl der Gesetze, der Rechtsverordnungen, der dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen, der Unfallverhütungsvorschriften und der sonstigen DGUV-Bestimmungen, der Technischen Regeln usw. nur die wesentlichen Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsmitteln, sowie an den Umgang mit gefährlichen Arbeitsstoffen dargestellt werden.
B. Arbeitsumgebung, Arbeitsbedingungen und Arbeitsmittel
Rz. 6
Die Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen, sowie an die betriebliche Arbeitsschutzorganisation ergeben sich insb. aus dem ArbSchG mit Ausführungsverordnungen des Bundes. Der Arbeitgeber hat die organisatorischen Voraussetzungen für den Arbeitsschutz zu schaffen und die dafür erforderlichen technischen Hilfsmittel bereitzustellen. Der Arbeitgeber hat die Erfüllung der Anforderungen des Arbeitsschutzes durch die Arbeitnehmer anzuordnen und zu überwachen. Darüber hinaus besteht eine gerade im Bereich des technischen Arbeitsschutzes sehr weitreichende, in vielen Unternehmen jedoch unterschätzte Pflicht des Arbeitgebers, nicht nur alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, sondern auch, als eine Ausprägung des Präventionsgrundsatzes, die ständige Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer anzustreben (§ 3 Abs. 1 ArbSchG).
Rz. 7
Neben diesen Anforderungen enthält – als zweiter Regelungsbereich – das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) grundlegende Regelungen zum Einsatz dieser Personen. Damit sollen
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die Anwendung der Arbeitsschutzvorschriften auf die jeweiligen, besonderen Betriebsverhältnisse, |
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die Verwirklichung der gesicherten arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Erkenntnisse und |
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die Erreichung eines möglichst hohen Wirkungsgrades der dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Maßnahmen |
sichergestellt werden. Das ASiG wird ergänzt durch eine Reihe von Rechtsverordnungen des Bundes für bestimmte Tätigkeitsbereiche (dazu ausführlich Rdn 82 ff.).
Rz. 8
Vervollständigt werden beide Regelungsbereiche durch eine Vielzahl berufsgenossenschaftlicher Bestimmungen, insb. der grundlegenden Unfallverhütungsvorschrift DGUV-V 1 "Grundsätze der Prävention", diese wiederum konkretisiert durch die gleichnamige DGUV-...