Rz. 185
Bei der qualifizierten Nachfolgeklausel bestimmt der Gesellschaftsvertrag, dass nicht alle Erben, sondern nur einzelne oder einer von ihnen in die Gesellschafterstellung einrücken. Der Gesellschaftsvertrag kann den Kreis der nachfolgeberechtigten Personen grundsätzlich in beliebiger Weise einschränken. Möglich sind etwa folgende Regelungen:
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namentliche Bezeichnung der Nachfolger; |
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Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe (z.B. einer Familie oder zum Kreis der Gesellschafter); |
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bestimmtes Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser (z.B. Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge); |
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Kreis der gesetzlichen Erben; |
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Alter im Zeitpunkt des Erbfalls (z.B. Mindestalter oder Höchstalter); |
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Geschlecht; |
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berufliche Ausbildung und Qualifikation. |
Rz. 186
Der Gesellschaftsanteil geht dann im Wege der Sonderrechtsnachfolge unmittelbar und im Ganzen auf den qualifizierten Erben über (ab 1.1.2024 erstmals geregelt in § 105 Abs. 3 HGB n.F. i.V.m. § 711 Abs. 2 BGB n.F.). Die übrigen Erben werden nicht Gesellschafter, sondern erlangen lediglich einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den nachfolgeberechtigten Erwerber. Der qualifizierte Nachfolger erwirbt den Anteil aufgrund einer quasi dinglich wirkenden Teilungsanordnung automatisch mit dem Erbfall. Am übrigen Nachlass ist der qualifizierte Erbe nur entsprechend seiner Erbquote beteiligt.
Beispiel
Der Gesellschaftsvertrag enthält eine qualifizierte Nachfolgeklausel, wonach der Anteil eines verstorbenen Gesellschafters auf den ältesten von dessen leiblichen Abkömmlingen übergehen soll. Der Gesellschafter E verstirbt und wird von seinen beiden Kindern S (32 Jahre) und T (25 Jahre) zu je ½ beerbt.
Der Gesellschaftsanteil ist aufgrund der Nachfolgeklausel vererblich. Zur Erbfolge ist aber jeweils nur der älteste leibliche Abkömmling berechtigt. Der Gesellschaftsanteil des E geht hier demnach unmittelbar und ausschließlich auf den Sohn S über. Die Tochter T wird zwar Miterbin zu ½, tritt aber nicht (auch nicht in der juristischen Sekunde des Erbfalls) in die Gesellschaft ein. Der Gesellschaftsanteil geht vielmehr außerhalb des Nachlasses alleine auf S über. T steht aber ein schuldrechtlicher Anspruch auf Wertausgleich gegen S zu, sofern E in seiner Verfügung von Todes wegen keine abweichende Regelung getroffen hat.
Rz. 187
Die qualifizierten Nachfolger erwerben aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeregelung mehr, als ihnen erbrechtlich an sich zustehen würde. Den nicht qualifizierten Erben steht dementsprechend ein schuldrechtlicher Ausgleichanspruch zu. Für die Höhe des Wertausgleichs ist der tatsächliche Verkehrswert der Gesellschaftsbeteiligung maßgebend. Bei dem Anspruch handelt es sich um einen erbrechtlichen Ausgleich und nicht um eine gesellschaftsrechtliche Abfindung, so dass etwaige Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag für die Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ohne Bedeutung sind.
Praxishinweis
Der Erblasser kann Art, Höhe und Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs im Testament regeln (z.B. das Verfahren zur Ermittlung des Unternehmenswerts, die Bewertungsabschläge oder Stundungsregelung). Dabei gilt es, insbesondere auch die mit der Beteiligung verbundenen unternehmerischen Risiken, etwaige Steuerlasten, die Liquiditätssituation des Unternehmensnachfolgers und die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens zu berücksichtigen.
Ein angemessener Interessenausgleich kann bspw. in der Weise erfolgen, dass der Erblasser dem Erben das Recht einräumt, den Ausgleichsanspruch durch die Einräumung einer Unterbeteiligung an dem Gesellschaftsanteil zu erfüllen. Im Einzelfall kann der Erblasser den Ausgleichsanspruch auch ganz ausschließen, indem er dem qualifizierten Nachfolger den Wert der Beteiligung im Wege eines Vorausvermächtnisses zuwendet.
Rz. 188
Bei der Regelung der Ausgleichszahlung sind auch die ertragsteuerrechtlichen Auswirkungen mit zu berücksichtigen. Der ausgleichsberechtigte Erbe muss die Zahlung nicht versteuern. Bei dem ausgleichsverpflichteten Erben handelt es sich demnach um eine private Verbindlichkeit, so dass er etwaige Finanzierungszinsen – trotz des Sachzusammenhangs mit dem Unternehmen – nicht als Betriebsausgaben geltend machen kann.
Muster 23.17: Qualifizierte Nachfolgeklausel mit Abfindungsregelung
Muster 23.17: Qualifizierte Nachfolgeklausel mit Abfindungsregelung
Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit seinen Erben fortgesetzt, sofern es sich dabei um den Ehegatten, den Lebenspartner oder die leiblichen Abkömmlinge des Gesellschafters oder um Mitgesellschafter handelt. Sind keine nachfolgeberechtigten Erben vorhanden, wird die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Die Erben erhalten in diesem Fall eine Abfindung nach Maßgabe dieses Gesellschaftsvertrages. Die vorstehenden Regelungen gelten für Vermächtnisnehmer entsprechend.
Rz. 189
Bei der qualifizierten Nachfolgeklausel muss die Person, die nach dem Gesellschaft...