Rz. 111
Nach Ziff. A-6.5 Abs. 1 S. 1 AVB-D&O tragen die in Anspruch genommenen versicherten Personen in jedem Versicherungsfall den im D&O-Versicherungsschein aufgeführten Betrag selbst (sog. Selbstbehalt).
Soweit die versicherten Personen – so heißt es in Ziff. A-6.5 Abs. 2 AVB-D&O – als Vorstandsmitglieder von Gesellschaften in Anspruch genommen werden, auf die das deutsche Aktiengesetz (AktG) Anwendung findet, gilt Folgendes:
Zitat
Sofern kein höherer Selbstbehalt vereinbart ist, tragen die versicherten Personen im Versicherungsfall einen Selbstbehalt von … % des Schadens bis zur Höhe des …-fachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds.
Diese Selbstbehaltsregelung findet keine Anwendung auf Ansprüche wegen Pflichtverletzungen, die vor dem 5.8.2009 begangen worden sind oder solange und soweit die versicherte Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitgliedern aus einer vor dem 5.8.2009 geschlossenen Vereinbarung zur Gewährung einer D&O-Versicherung ohne Selbstbehalt verpflichtet ist.
Auf Abwehrkosten findet dieser Selbstbehalt keine Anwendung.
Rz. 112
Zum Selbstbehalt hatte ich bereits aufgeführt (siehe Rdn 5), dass bei Vereinbarung von Selbstbehalten eine Verhaltenssteuerung der versicherten Personen, die ja dann persönlich in die Haftung geraten, bewirkt werden könne. Durch Einführung des "Zwangspflichtselbstbehaltes" wollte der Gesetzgeber gerade dieses Ziel auch erreichen. Ob dies gelingen wird, ist schwer vorherzusagen. Demgegenüber standen und stehen aber auch die Forderungen des DCGK, dass eben für den Fall, dass eine D&O-Versicherung abgeschlossen wird, ein angemessener Selbstbehalt vereinbart werden sollte; dies bereits ab den Fassungen von 2002.
Bis zum VorstAG lag die Vereinbarung eines persönlichen – und zwar angemessenen – Selbstbehaltes doch sehr niedrig, wenn auch nicht bei "null". Vereinbart waren Selbstbehalte in der Praxis zwischen 25 % der Jahresfestbezüge der Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder, für einen aktienrechtlichen Vorstandsvorsitzenden z.B. 100.000 EUR oder auch mehr, für einfache Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglieder auch 50.000 EUR (oder etwas weniger).
Ob und inwieweit bei einer etwaigen Erhöhung – und sei diese durch das VorstAG bewirkt – nunmehr nicht doch tatsächlich der Sorgfaltsmaßstab – zumindest generaliter betrachtet – steigen wird, bleibt in der Tat abzuwarten. Richtig ist, dass ein empirischer Nachweis, dass ein (höherer oder hoher) Selbstbehalt tatsächlich das Maß der individuellen Sorgfalt erhöht, nicht besteht und auch wohl nur schwierig zu ermitteln sein wird. Zumindest wird die Verhaltenssteuerung eine "Mitursächlichkeit" sein und daher die Einführung des VorstAG nicht alleine der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung gedient haben.
Rz. 113
Bevor ich im Nachfolgenden dann auf die Ergänzungen durch die "Persönliche Selbstbehaltsversicherung" in den Musterbedingungen des GDV von März 2010 und die ergänzenden Absätze in Ziff. A-6.5 AVB-D&O besonders eingehe, möchte ich einige zusätzliche Hinweise geben im Zusammenhang mit der Ergänzung in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Die Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur dieser Regelung mag ein besseres Verständnis – auch zu den deckungsrechtlichen Angeboten – geben. Rechtsprechung zu § 93 Abs. 2 S. 3 AktG liegt (noch) nicht vor. Nach einer Meinung in der Literatur handelt es sich bei § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nicht um ein gesetzliches Verbot im i.S.v. § 134 BGB, vielmehr um eine Gebotsnorm, die insbesondere das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis betreffe oder aber eine versicherungsvertragliche Gebotsnorm im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Versicherer. Demgegenüber nehmen andere Teile der Literatur durchaus an, es liege doch ein (einseitiges) Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB vor. Auch wenn der Wortlaut dies nicht zwingend hergibt, halte ich doch letztere Auffassung für zutreffend. Sofern eine entsprechende Selbstbehaltsvereinbarung fehlen würde, hilft eine Schadensersatzverpflichtung wohl kaum weiter. Die als Schaden zu betrachtende "unterlassene Prämienreduktion" wird sich kaum darlegen und im Zweifel nicht berechnen lassen. Dies spricht gegen die oben zitierte, erste Ansicht in der Literatur. Klarer Adressat des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist die AG. Trifft diese keine Selbstbehaltsvereinbarung, tritt eine Teilnichtigkeit ein. Dann tritt an die Stelle der fehlenden Vereinbarung die gesetzliche Regelung, nämlich die des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Damit ist naturgemäß nicht die D&O-Police nichtig; die fehlende Lücke wird vielmehr durch das Gesetz geschlossen.
Rz. 114
Die ergänzenden Selbstbehaltsregelungen in Ziff. A-6.5 Abs. 2 AVB-D&O beziehen sich zunächst einmal auf Vorstandsmitglieder von Gesellschaften nach dem deutschen Aktiengesetz (AktG). Eine Beschränkung – etwa auf börsennotierte AGs – ist seinerzeit im Rahmen des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, obwohl diskutiert, im Gesetzgebungsverfahren nicht übernommen worden. Erfasst werden also Vorstandmitglieder von Gesellsc...