Rz. 110

Nach § 37 Abs. 2 FamFG darf das Nachlassgericht eine ablehnende Entscheidung im Erbscheinsverfahren nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen die betroffenen Beteiligten angehört worden sind.

Es ist zwischen der Anhörung nach § 34 FamFG und der Anhörung zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 26 FamFG zu unterscheiden.

 

Rz. 111

Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 FamFG hat das Nachlassgericht einen Beteiligten persönlich anzuhören, wenn dies zur Gewährleistung seines rechtlichen Gehörs erforderlich ist.

Das BVerfG hat bereits frühzeitig ausgeführt, dass Art. 103 Abs. 1 GG auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten ist.[82] Auf eine förmliche Beteiligtenstellung kommt es nicht an. Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht jedem zu, demgegenüber die gerichtliche Entscheidung materiellrechtlich wirkt und der deshalb von dem Verfahren rechtlich unmittelbar betroffen wird.[83]

 

Rz. 112

Für die Anhörung der Beteiligten zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 26 FamFG gilt dagegen, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist, ob und auf welche Weise es sich dieses Mittels bedient.[84]

 

Rz. 113

Sind minderjährige Kinder neben ihren Eltern am Erbscheinsverfahren beteiligt, braucht ihnen zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs kein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) bestellt zu werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Rechte der Kinder gegeben sind.[85] Eine Gefährdung und damit eine Pflicht zur Bestellung eines Ergänzungspflegers liegt vor, wenn Kinder und Eltern aus gegenläufigen letztwilligen Verfügungen eine Erbeinsetzung herleiten können und nicht unmittelbar erkennbar ist, welches Testament wirksam ist.[86]

 

Rz. 114

Ein Verstoß gegen die Gewährung des rechtlichen Gehörs kann durch Nachholung entweder vor dem Nachlassgericht oder dem Beschwerdegericht geheilt werden. Möglich ist auch die Genehmigung der Verfahrenshandlung durch den betroffenen Beteiligten. Im Übrigen führt die Verletzung des rechtlichen Gehörs zur Aufhebung der ergangenen Entscheidung.[87]

[82] BVerfGE 19, 49.
[83] BVerfGE 60, 7, 13; 75, 201, 215.
[84] Keidel/Sternal, FamFG, § 26 Rn 39.
[85] LG Bochum, Beschl. v. 8.3.1994 – 7 T 123/94, Rpfleger 1994, 418.
[86] OLG Celle, Beschl. v. 20.2.2017 – 6 W 16/17, Rn 6, ZEV 2017, 236.

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