Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 115
Nach § 29 Abs. 1 S. 1 FamFG erhebt das Nachlassgericht die erforderlichen Beweise in geeigneter Form. Diese Vorschrift ergänzt § 26 FamFG zur Art und Weise der erforderlichen Ermittlungen. Die Auswahl zwischen Freibeweis (§ 29 FamFG) und Strengbeweis (§ 30 FamFG i.V.m. den Beweisvorschriften der ZPO) nimmt das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen vor. Die ordnungsgemäße Ermessensausübung ist im Beschwerdeverfahren überprüfbar.
Rz. 116
Beim Freibeweisverfahren kann das Gericht seine Ermittlungen in jeder zweckmäßigen Form vornehmen, also bspw. auch durch ein Telefonat, ohne an bestimmte Beweismittel oder Beweisverfahren gebunden zu sein. Neben den Beweismitteln der ZPO wie Augenschein, Zeuge und Sachverständiger kann das Nachlassgericht im freien Beweisverfahren auch auf die Einholung von Auskünften bei Behörden oder auf die Beiziehung von Akten anderer Gerichte oder Behörden zurückgreifen.
Rz. 117
§ 31 Abs. 1 FamFG gesteht dem Nachlassgericht zu, von Beteiligten oder Zeugen für entscheidungserhebliche Tatsachen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu verlangen und dadurch den Nachweis der Tatsache als erbracht anzusehen. Soll eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers den durch öffentliche Urkunden zu erbringenden Nachweis für Angaben nach § 352 FamFG ersetzen, ist der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung genau zu prüfen. Einem allein auf eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers gestützten Erbscheinsantrag wird nicht entsprochen.
Rz. 118
Zwar haben Beteiligte im Freibeweisverfahren kein Recht auf Teilnahme an der Beweiserhebung, dafür sieht § 29 Abs. 4 FamFG vor, dass das Gericht das Ergebnis der Beweiserhebung aktenkundig zu machen hat. Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs wiederum folgt, dass die so eingeholten Beweise den Beteiligten zur Kenntnis gebracht werden müssen, damit diese sich hierzu äußern können, § 37 Abs. 2 FamFG. Genügt vor diesem Hintergrund das Freibeweisverfahren nicht dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, bspw. weil es um ein wesentliches Beweismittel für die Entscheidungsfindung des Gerichts geht, ist dem Strengbeweisverfahren und damit den weitergehenden Mitwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten der Vorzug einzuräumen. Allein dieses Vorgehen entspricht einer fehlerfreien Ermessensausübung, zu der das Nachlassgericht bei Wahl des Beweisverfahrens gem. § 30 Abs. 1 FamFG verpflichtet ist.
Rz. 119
Beim Strengbeweisverfahren gelten die förmlichen Beweismittel der ZPO und das dort geregelte Beweiserhebungsverfahren, § 30 Abs. 1 FamFG.
Gemäß § 30 Abs. 2 FamFG hat eine förmliche Beweisaufnahme stattzufinden, wenn es in diesem Gesetz vorgesehen ist.
Eine förmliche Beweisaufnahme soll gem. § 30 Abs. 3 FamFG über die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung stattfinden, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung dieser Tatsache stützen will und die Richtigkeit von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten wird.
Erfolgt eine förmliche Beweisaufnahme, ist das Nachlassgericht nach § 30 Abs. 4 FamFG verpflichtet, den Beteiligten die Möglichkeit einzuräumen, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.
Rz. 120
Dem Nachlassgericht stehen für die förmliche Beweiserhebung regelmäßig zur Verfügung:
▪ |
Einholen von Auskünften aus Akten z.B. beim Notar, der das Testament beurkundet hat, bei Behörden, Botschaften, Krankenhäusern oder Ärzten |
▪ |
Zeugenvernehmung nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 373 ff. ZPO, wobei keine Vorschusspflicht eines Beteiligten besteht, weil § 14 Abs. 3 S. 1 GNotKG es in das Ermessen des Gerichts stellt, einen Vorschuss zu erheben |
▪ |
Einholen eines Sachverständigengutachtens nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 402 ff. ZPO, wobei auch hier die Anforderung eines Kostenvorschusses im Ermessen des Gerichts steht |
▪ |
förmliche Beteiligtenvernehmung. |