Rz. 90

Hier gelten dieselben Grundsätze wie beim Testamentsanfechtungsrecht, §§ 2281 Abs. 1, 2078 Abs. 1 BGB. Allerdings kann ein Inhaltsirrtum auch in der Weise bestehen, dass sich der Erblasser über die rechtliche Tragweite, vor allem über die Bindungswirkung des Erbvertrags, bei seinem Abschluss nicht im Klaren war.[92]

 

Rz. 91

Das objektive Moment, das in § 119 Abs. 1 BGB bei der Anfechtung von Willenserklärungen aufgenommen wurde, nämlich die Einschränkung, dass eine Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn der Erklärende bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles die Erklärung trotzdem so abgegeben hätte, gilt weder beim Testament noch beim Erbvertrag. Vielmehr ist hier die subjektive Denk- und Anschauungsweise des Erblassers maßgebend.[93] Zu der Frage, ob die Vorstellungen des Erblassers positiv sein müssen oder ob auch eine unbewusste Vorstellung ausreicht, hat der BGH in seiner Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt:[94]

 

Rz. 92

Allein die Vorstellungen des Erblassers bei Errichtung der letztwilligen Verfügung sind maßgebend;
diese Vorstellungen müssen nicht im Testament oder Erbvertrag ihren Niederschlag gefunden haben;
als Vorstellungen genügen auch unbewusste, d.h. solche, die der Erblasser zwar nicht wirklich hatte, die er aber als selbstverständlich seiner Verfügung zugrunde gelegt hat;
diese Vorstellungen müssen zumindest auch (kausal) mitbestimmend für die Verfügung/den Erbvertrag gewesen sein;
zwischen Testamentsanfechtung und Erbvertragsanfechtung wird, was die Vorstellungen des Erblassers betrifft, kein Unterschied gemacht.
[92] OLG Hamm OLGZ 1966, 479; OLG Hamm Rpfleger 1978, 179.
[93] BGHZ 4, 91 = NJW 1952, 419; BGH NJW 1963, 246.
[94] Nach Veit, NJW 1993, 1553; vgl. auch Krebber, DNotZ 2003, 20.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge