Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
Rz. 108
Beschluss des OLG Frankfurt vom 1.7.1999:
Zitat
"Die einjährige Frist zur Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament wegen Übergehens der zweiten Ehefrau (§§ 2283 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 2079 BGB) beginnt auch dann im Zeitpunkt der neuen Eheschließung, wenn der Erblasser sich im Hinblick auf die Wiederverheiratung irrtümlich nicht mehr an das gemeinschaftliche Testament gebunden glaubte."
Rz. 109
Bei einem gemeinschaftlichen Testament erstreckt sich die Wechselbezüglichkeit nicht zwangsläufig auf das gesamte Testament. Sie ist vielmehr für jede einzelne in dem Testament getroffene Verfügung gesondert zu prüfen. Entscheidend ist der Wille der Testierenden.
Wenn sich kinderlose Ehegatten gegenseitig bedenken und bestimmen, nach dem Tod des Längstlebenden solle das beiderseitige Vermögen teils an Verwandte des Mannes, teils an Verwandte der Ehefrau fallen, ist ein deutlicher Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die Einsetzung der Gatten zueinander wechselbezüglich sein soll, außerdem aber auch die Einsetzung der Verwandten des anderen Gatten (§ 2270 Abs. 2 BGB).
Rz. 110
Mangels anderer Anhaltspunkte haben die Zuwendungen an die Verwandten der vorverstorbenen Ehefrau für den Erblasser wechselbezüglichen Charakter. Diese Verfügungen konnte der Erblasser, nachdem er die Erbschaft seiner ersten Ehefrau angenommen hatte, durch das spätere notarielle Testament nicht widerrufen oder aufheben (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB).
Rz. 111
Dies gilt jedoch nicht ohne weiteres für die im Verhältnis zu seinen eigenen Verwandten getroffenen Verfügungen des Erblassers. Hier ist zu prüfen, ob diese Einsetzung mit der Einsetzung des Ehegatten wechselbezüglich sein soll. Dabei spricht allein der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft weder für die Wechselbezüglichkeit noch gegen sie. Im Zweifel erstreckt sich die Wechselbezüglichkeit nicht auf die Einsetzung der Verwandten des überlebenden Ehegatten. In einem solchen Fall ist der überlebende Ehegatte an die Erbeinsetzung der eigenen Verwandten nicht gebunden.
Rz. 112
Die zweite Ehefrau des Erblassers konnte die wechselbezüglichen und damit gemäß § 2271 Abs. 2 BGB mit dem Tode der ersten Ehefrau unwiderruflich gewordenen letztwilligen Verfügungen nach § 2079 BGB anfechten, weil sie erst nach Errichtung des gemeinsamen Testaments pflichtteilsberechtigt geworden ist. Da diese Anfechtung den Einschränkungen unterliegt, die gemäß §§ 2281–2285 BGB für den Erbvertrag gelten, ist zu prüfen, ob der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes sein Anfechtungsrecht bereits verloren hatte, weil die einjährige Anfechtungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Nach § 2283 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB beginnt die Frist zu laufen, sobald der Anfechtungsberechtigte Kenntnis vom Anfechtungsgrund hat. Der Zeitpunkt für den Lauf der Anfechtungsfrist ist hier der Tag der Eheschließung (§§ 2281 Abs. 1, 2079 BGB).
Rz. 113
Sollte der Erblasser irrtümlich angenommen haben, wegen seiner erneuten Heirat sei er nicht mehr an das gemeinschaftliche Testament gebunden, so ist dieser Irrtum auf den Lauf der Frist ohne Einfluss.
Rz. 114
Muster 24.13: Selbstanfechtung eines gegenseitigen Erbvertrags nach Hinzutreten eines Pflichtteilsberechtigten
Muster 24.13: Selbstanfechtung eines gegenseitigen Erbvertrags nach Hinzutreten eines Pflichtteilsberechtigten
_________________________ (Notarielle Urkundenformalien)
Anwesend ist, persönlich bekannt, Herr _________________________ und erklärt die folgende
Erbvertrags-Anfechtung
zur notariellen Niederschrift:
I. Rechtsverhältnisse
Mit meiner am _________________________ vorverstorbenen Ehefrau, Frau _________________________, zuletzt wohnhaft in _________________________, habe ich einen Erbvertrag errichtet, wonach wir uns gegenseitig zu Alleinerben und unseren gemeinschaftlichen Sohn _________________________ zum Schlusserben eingesetzt haben. Der Erbvertrag wurde am _________________________ von Notar _________________________ in _________________________ unter UR-Nr. _________________________ beurkundet.
Auf den Tod meiner Ehefrau wurde er am _________________________ vom Amtsgericht _________________________ als Nachlassgericht unter Az. _________________________ eröffnet.
Die mir aufgrund des Erbvertrags angefallene Alleinerbschaft habe ich seinerzeit angenommen.
Am _________________________ habe ich meine zweite Ehe mit Frau _________________________ vor dem Standesbeamten des Standesamts _________________________ geschlossen.
II. Anfechtungserklärung
Gegenüber dem Nachlassgericht _________________________ fechte ich hiermit wegen des Hinzutretens meiner zweiten Ehefrau als Pflichtteilsberechtigter den in Ziff. I oben näher beschriebenen Erbvertrag an. Die Jahresfrist zur Anfechtung seit der Eheschließung ist gewahrt. Eine Bestätigung des anfechtbaren Erbvertrags habe ich bisher nicht vorgenommen.
Ich bitte den beurkundenden Notar, eine Ausfertigung dieser Urkunde dem Amtsgericht _________________________ als Nachlassgericht zu üb...