Rz. 188
Im Falle der Arglistanfechtung ist der Vertrag, und selbstverständlich auch der D&O-Versicherungsvertrag, von Anfang an nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB i.V.m. § 123 BGB). Wird demzufolge der D&O-Versicherer arglistig getäuscht, kann der Versicherer unter den Voraussetzungen, dass der Arglisttatbestand gegeben ist, binnen Jahresfrist nach Entdeckung der Täuschung (vgl. § 124 Abs. 1 BGB) den Vertrag anfechten. Auch die Folgen sind eindeutig: Der Versicherer ist leistungsfrei (ex tunc: rückwirkend). Er hat einen Anspruch auf Rückzahlung ausbezahlter Versicherungsleistungen (nach § 812 BGB) gegen den, der die Prämien gezahlt hat, bei der D&O-Versicherung also grundsätzlich gegen die Versicherungsnehmerin. Das bedeutet zugleich, dass im Falle der Arglistanfechtung und der rückwirkenden Nichtigkeit des Versicherungsvertrags der Versicherungsschutz ebenfalls rückwirkend erlischt und zwar für alle im D&O-Versicherungsvertrag versicherten Personen. Betroffen sind dann unter Umständen aber gerade nicht die Personen, die den Vertrag abgeschlossen und dabei den Versicherer arglistig getäuscht haben. Vielfach sind bestimmte Personen, etwa Vorstände von den Versicherungsschutz suchenden Gesellschaften, am Versicherungsvertragsschluss selbst nicht beteiligt und haben auch nicht einmal – im Zweifel jedenfalls – Kenntnisse vom Vertragsinhalt und/oder nehmen insoweit auf den Versicherer oder auf die konkret mit diesem geführten Verhandlungen keinen Einfluss. Gegebenenfalls verlieren damit dann versicherte Personen, und gar auch die, die seriös und redlich sind und die an der Täuschung des Versicherers gar nicht beteiligt waren, rückwirkend Versicherungsschutz. Dieses Thema bewegt sowohl die Versicherungswirtschaft als auch die Industrie seit Jahren.
Die Versicherer haben – in im Ergebnis gleichgelagerter Zielrichtung mit den Unternehmen der Industrie und/oder mit den Dienstleistungsgesellschaften – einen an sich vermeintlich guten Kompromiss gefunden. Um die Folgen der etwaigen Nichtigkeit des Versicherungsvertrags für die (redlichen) versicherten Personen abzumildern, haben einige D&O-Versicherer – in divergierenden Formulierungen – sog. Verzichtsklauseln auf das ihnen nach den §§ 123, 142 BGB gesetzlich grundsätzlich zustehende Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung in das Vertragswerk aufgenommen. Je nach Formulierung sollen hiernach jedenfalls die versicherten Personen, die nicht an der arglistigen Täuschung des Versicherers – in welcher Weise auch immer – beteiligt waren, nach einer etwaigen Täuschungshandlung von "anderen" dennoch weiter Versicherungsschutz erhalten.