Rz. 135
Ziff. A-7.1 AVB-D&O sieht zunächst einen Ausschluss vor wegen "vorsätzlicher Schadenverursachung". Dieser Leistungsausschluss entspricht dem in § 103 VVG bei vorsätzlicher Herbeiführung des Schadenereignisses. Erfasst ist damit auch der "bedingte Vorsatz", also die "billigende Inkaufnahme der Schädigung". Es ist allerdings hervorzuheben, dass sich der Vorsatz nicht nur auf das Schadenereignis, sondern auch auf die Schadensfolgen und auf die haftungsausfüllende Kausalität beziehen muss. Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind aber auch Haftpflichtansprüche nach Ziff. A-7.1 AVB-D&O, bei denen "durch wissentliches Abweichen" von im Einzelnen zitierten Regelungen, Satzungen, Gesellschafterbeschlüssen ein Schaden entstanden ist. Es geht dabei um ein "bewusstes Abweichen". Erforderlich dafür sind – wie in der Literatur hervorgehoben wird – Pflichtbewusstsein und Pflichtverletzungsbewusstsein. Voraussetzung der wissentlichen Pflichtverletzung ist positive Kenntnis der in Rede stehenden versicherten Person von der Pflichtverletzung und das Bewusstsein, pflichtwidrig gehandelt zu haben. Eine wissentliche Pflichtverletzung soll jedenfalls dann indiziert sein, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann. Die Schadensursache und der schädigende Erfolg hingegen müssen vom Wissentlichkeitsbezug nicht erfasst sein. Dies sind jedenfalls Auslegungen, die in der Literatur häufig vertreten werden. Ob diese mit dem Wortlaut und mit Sinn und Zweck der Regelung übereinstimmen (§§ 133, 157 BGB), kann an dieser Stelle nicht vertiefend erörtert werden.
Ausgeschlossen sind ferner sonstige wissentliche Pflichtverletzungen (Ziff. A-7.1 dritte Alternative) oder ähnliche vorzufindende Formulierungen, etwa vorsätzliche Pflichtverletzungen, teilweise alternativ, teilweise kumulativ. Bei einer D&O-Versicherung mit eingeschlossenem Strafrechtsschutz kann der Versicherer nach Rechtsprechung des OLG Hamm, wenn er zugunsten der versicherten Geschäftsführer im Falle bestrittener Wissentlichkeit der Pflichtverletzung "vorläufige Deckung" bis zur gerichtlichen Feststellung der Wissentlichkeit versprochen hat, seiner vorläufigen Inanspruchnahme nicht mit Erfolg entgegenhalten, der strafrechtlich verfolgte Versicherte habe Unterrichtungsobliegenheiten verletzt, weil er sich nicht vom Versicherer zu den Anklagevorwürfen "vernehmen" lasse, diesem keine Akteneinsicht in die Strafverfahrensakte ermögliche oder keinen Einblick in die Verteidigerhandakte gestatte und es dem Versicherer deshalb nicht möglich sei, den Versicherten vorzeitig der "wissentlichen Pflichtverletzung" zu überführen. Auch ist es dem Versicherer nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. versagt, sich auf einen Ausschluss wegen arglistiger Täuschung zu berufen, wenn er vorläufige Abwehrkosten bei wissentlicher oder vorsätzlicher Pflichtverletzung bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zugesagt hat, aus der sich die Tatsachen ergeben, welche die wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung belegen, und es an einer solchen Entscheidung fehlt.
Rz. 136
Bisweilen wird behauptet, der Vorsatzausschluss – vgl. dazu Ziff. A-7.1 AVB-D&O – stehe "unangefochten mit Abstand an der Spitze". Ich denke, dieser Ansatz wird weit überbewertet. Schauen wir uns Haftungsprozesse an, lässt sich feststellen, dass Zivilgerichte die Vorsatzfrage gerne offen lassen. Selbst wenn "anfänglich" im Rahmen des Haftungsprozesses vorsätzliches Handeln vorgetragen wird, verbleibt es – bei entsprechender zivilrechtlicher Verurteilung – im Regelfall bei der Feststellung, dass der Betroffene "zumindest fahrlässig" gehandelt hat. Für das Deckungsverfahren hilft dann diese Feststellung aus dem Haftpflichtprozess wenig. Insofern trifft den Versicherer im Deckungsprozess aber die Beweislast dahingehend, dass ein konkretes Organmitglied "vorsätzlich" o.ä. gehandelt hat. Gerade die Erfahrungen in jüngeren D&O-Verfahren hat gezeigt, dass bisweilen versucht wird, "vorsatzträchtige" Pflichtverletzungen, wie etwa die Auszahlung von Bestechungszahlungen im In- und/oder auch Ausland, die unter anderem von Angestellten eindeutig vorsätzlich verursacht worden sind, dann im Rahmen von Fahrlässigkeitsvorwürfen gegen die Organe geltend zu machen, die es – so der Vortrag der geschädigten Gesellschaften nicht selten – eben unterlassen haben, und zwar fahrlässig, ein hinreichend effizientes Compliance-System zu schaffen. Auch Staatsanwaltschaften eruieren bisweilen nicht abschließend, wenn Fahrlässigkeitsdelikte schon zur Festlegung von Strafen und/oder Bußen ausreichen.
Schon deshalb darf der Vorsatzausschlusstatbestand, so wie er auch in Ziff. A-7.1 AVB-D&O oder in verschiedenen D&O-Versicherungsverträgen mehr oder weniger abweichend verwandt wird, nicht überschätzt werden. Dann drän...