A. Einleitung
Rz. 1
Unabhängig von der Unfallverursachung erfolgt durch die hinzugerufene Polizei bei einer möglichen Verletzung eines Unfallbeteiligten eine Strafanzeige von Amts wegen. Das bedeutet, dass somit zunächst gegen den Mandanten wegen fahrlässiger Körperverletzung in Verbindung mit einem Verkehrsunfall ermittelt wird. Dies führt selbstverständlich und nachvollziehbar bei den Mandanten zur Verunsicherung. Sätze wie "Der Unfall wurde doch von dem Anderen verursacht" oder "Der hatte doch nur eine kleine Schramme" hört der Anwalt täglich. Vielfach wird die fahrlässige Körperverletzung von der Staatsanwaltschaft eingestellt und wegen der Verfolgung einer möglichen Ordnungswidrigkeit an die Bußgeldstelle abgegeben.
B. Ausgewählte Probleme im Bereich des § 229 StGB
I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
Rz. 2
Tathandlung ist eine körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung.
1. Körperliche Misshandlung
Rz. 3
Eine körperliche Misshandlung ist ein übles, unangemessenes Behandeln, das entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt.
2. Gesundheitsschädigung
Rz. 4
Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines wenn auch nur vorübergehenden pathologischen Zustands.
Rz. 5
Gerade im Verkehrsrecht spielt die Erheblichkeit eine Rolle. Die Frage, ob eine erhebliche körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung vorliegt, bestimmt sich nicht nach dem subjektiven Empfinden des Geschädigten, sondern am Maßstab eines objektiven Betrachters, wobei dann weiter Dauer und Intensität in diese Betrachtung einzubeziehen sind. So stellt eine Hautrötung beispielsweise keine körperliche Misshandlung dar. Gleiches gilt für einen Schock durch einen Stoß.
3. Einstellung des Verfahrens nach Abschnitt 243 Abs. 3 RiStBV
Rz. 6
Wie ausgeführt, zeigt sich in der Praxis, dass die Staatsanwaltschaften regelmäßig bei solchen geringen Verletzungen des Unfallgegners und klassischen/alltäglichen Unfallsituationen wie dem Auffahrunfall geneigt sind, das Ermittlungsverfahren einzustellen. Das gilt jedenfalls dann, wenn kein Alkohol und keine Drogen im Spiel waren. In der Sache ist diese Vorgehensweise auch absolut richtig, denn auch der noch so umsichtige Kraftfahrer kann Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung begehen, durch die ein Mensch verletzt wird.
Rz. 7
Für die Einstellung gibt es sogar eine konkrete (interne) Vorschrift, nämlich Abschnitt 243 Abs. 3 RiStBV. Es handelt sich um eine verwaltungsinterne Vorschrift, die keinen Gesetzescharakter hat, sondern vom Bundesjustizministerium in Zusammenarbeit mit den Justizministern der Länder zur Vereinheitlichung der jeweils genannten Verfahren zu gewährleisten.
Rz. 8
In Abschnitt 243 Abs. 3 RiStBV heißt es:
Zitat
"Ein Grundsatz, dass bei einer im Straßenverkehr begangenen Körperverletzung das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 Abs. 1 S. 1 StGB) stets oder in der Regel zu bejahen ist, besteht nicht. Bei der im Einzelfall zu treffenden Ermessensentscheidung sind das Maß der Pflichtwidrigkeit, insbesondere der vorangegangene Genuss von Alkohol oder anderer berauschender Mittel, die Tatfolgen für den Verletzten und den Täter, einschlägige Vorbelastungen des Täters sowie ein Mitverschulden des Verletzten von besonderem Gewicht."
Rz. 9
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die fahrlässige Körperverletzung ein Antragsdelikt ist, § 230 Abs. 1 StGB, es sei denn, die Staatsanwaltschaft bejaht das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, was in den oben genannten Fällen doch sehr häufig eher unwahrscheinlich ist.
Der Verteidiger sollte schon mit dem Akteneinsichtsgesuch unter Berücksichtigung des oben genannten die Einstellung beantragen.
Rz. 10
Muster 24.1: Akteneinsicht mit Antrag auf Einstellung
Muster 24.1: Akteneinsicht mit Antrag auf Einstellung
In dem Ermittlungsverfahren
gegen _________________________
wegen _________________________
zeige ich ausweislich anliegender Vollmacht die Verteidigung des Herrn _________________________ an.
Eine Stellungnahme wird mein Mandant ausschließlich über mich abgeben. Bis dahin wird vom Schweigerecht Gebrauch gemacht.
Ich bitte darum, mir kurzfristig
Akteneinsicht
durch Übersendung der Akte in die Kanzlei zu gewähren. Die rechtzeitige Rückgabe der Akten wird anwaltlich zugesichert.
Sollten Sie den Vorgang zwischenzeitlich abgegeben haben, bitte ich um Weiterleitung dieses Schreibens nach dort unter Angabe meines Aktenzeichens.
Schon jetzt wird beantragt,
das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten einzustellen.
Begründung:
Ein Strafantrag ist nicht gestellt. Zudem liegt kein besonders grober Verkehrsverstoß vor. Auch ist das Versagen nicht auf eine rücksichtslose oder verkehrsfeindliche Einstellung zurückzuführen. Der Geschädigte hat keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten. Eine Körperverletzung i.S.d. § 229 StGB liegt nur vor, wenn die Beeinträchtigungen über eine nur geringfügige Einwirkung auf die körperliche Integrität hinausgehen (BayObLG DAR 200...