1. Grundsatz
Rz. 17
Vor Erlass der Fahrtenbuchanordnung ist ein Hinweis der Behörde auf die Möglichkeit einer solchen Anordnung nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Grundsätzlich ist vor der Anordnung des Fahrtenbuchs allerdings eine Anhörung i.S.d. jeweiligen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes erforderlich, weil es sich bei der Anordnung um einen Verwaltungsakt handelt, der in Rechte eines Beteiligten eingreift (belastende Maßnahme; vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG).
2. Anhörschreiben im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens
Rz. 18
Häufig steht in diesem Zusammenhang das Anhörschreiben im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und dessen Zugang im Streit. Da die landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetze auf die behördliche Tätigkeit bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten keine Anwendung finden (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG mit den identischen landesrechtlichen Regelungen, z.B. in § 2 Abs. 2 Nr. 2 HambVwVfG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 SaarlVwVfG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG BW; § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW) und es sich bei einem Anhörungsschreiben zudem nicht um einen Verwaltungsakt handelt, die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 S. 1 VwVfG weder unmittelbar noch entsprechend eingreift, löst ein Bestreiten des Zugangs die Beweispflicht der Behörde hinsichtlich des Zugangs des Anhörbogens aus. Die materielle Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Anhörung liegt nach den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung in vollem Umfang bei der Behörde. Eine förmliche Zustellung ist nicht verpflichtend (§ 50 Abs. 1 S. 1 OWiG). Macht die Behörde von ihrem Recht auf eine formlose Anhörung Gebrauch, hat dies nicht zur Folge, dass sodann der Adressat der Anhörung beweisen müsste, dass diese Verfahrenshandlung nicht oder nicht rechtzeitig vorgenommen wurde. Eine Behörde kann ihrer Beweispflicht hinsichtlich des Zugangs jedoch auch nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger einen Bescheid oder ein Schreiben tatsächlich erhalten haben muss. , Die Behörde kann den Zugang mit einfacher Post versandter Anhörungen des Fahrzeughalters grundsätzlich im Wege des Anscheinsbeweises nachweisen, wenn zumindest der Versand hinreichend belegt ist.
Rz. 19
Hat das Berufungsgericht gerade keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern ist mit eingehender, auf die Umstände des Einzelfalls abstellender, Begründung davon ausgegangen, dass die Behauptung der Kl. unglaubhaft ist, keines der Anhörungsschreiben erhalten zu haben, so können gegen diese tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen geltend gemacht werden. Auch im Revisionsverfahren ist dann vom Zugang eines Anhörungsschreibens auszugehen.