Rz. 52

Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie – insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verhaltens des Betroffenen selbst – alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen bzw. Ermittlungen angestellt hat, die erfahrungsgemäß auch Erfolg haben können.[138]

Für die Beurteilung, welche Maßnahmen nach der konkreten Sachlage für die Ermittlung des Fahrzeugführers nötig und möglich, aber auch angemessen und zumutbar sind, kommt es entscheidend auf die Ex-ante-Sicht der zuständigen (Bußgeld-)Behörde an.[139] ,[140]

 

Rz. 53

Unmöglichkeit i.S.d. § 31a StVZO ist gegeben, wenn die Bußgeldbehörde im Rahmen ihrer Ermittlungen eine Person ernsthaft verdächtigt hat, letztlich aber keine ausreichende Überzeugung von dessen Täterschaft gewinnen konnte. Nichts anderes gilt, wenn zwar die Bußgeldbehörde, da sie von der Täterschaft überzeugt war, einen Bußgeldbescheid erlassen hat, dann allerdings das gemäß § 68 OWiG infolge eines Einspruchs zuständige Amtsgericht im Ordnungswidrigkeitenverfahren den Bußgeldbescheid wegen fehlender Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen aufhebt oder das Verfahren aus diesem Grund einstellt. In diesem Fall tritt das zuständige Gericht an die Stelle der Behörde.[141] Verzichtet also die Bußgeldbehörde mangels Überzeugung von der Täterschaft auf den Erlass eines Bußgeldbescheids, kommt es für die Frage der Nichtaufklärbarkeit der Zuwiderhandlung in § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO auf ihre Überzeugung im Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 S. 1 StPO an.[142] Spricht hingegen das zuständige Gericht den Betroffenen nach Erlass eines Bußgeldbescheids und hiergegen gerichtetem zulässigen Einspruch mangels hinreichender Überzeugung von der Täterschaft frei, kommt es für die Nichtaufklärbarkeit der Zuwiderhandlung auf die gerichtliche Beurteilung an.[143]

 

Rz. 54

Die Behörde darf den Umfang ihrer Ermittlungen insbesondere auch an den Erklärungen und am Verhalten des Halters[144] – bei anwaltlicher Vertretung an den Erklärungen des RA – ausrichten.[145] Wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen sind nicht zumutbar;[146] die Behörde ist nicht verpflichtet, "ins Blaue hinein" Ermittlungen anzustellen.[147] Die Feststellung des Fahrzeugführers darf behördlicherseits aber keinesfalls unzureichend betrieben werden, die Bearbeitung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens muss ordnungsgemäß sein.[148]

 

Rz. 55

Die Möglichkeit, den Umfang der behördlichen Ermittlungen gerade auch an den Erklärungen des Halters bzw. an den Erklärungen des RA auszurichten, gilt aber nicht nur in dem für den Halter ungünstigen, sondern auch in dem für ihn günstigen Fall. So hat die Berücksichtigungspflicht auch für eine mit der beantragten Akteneinsicht verbundene Ankündigung einer abschließenden Stellungnahme zu gelten, weil sie die Frage einer solchen Mitwirkung zumindest zunächst noch offen hält.[149]

 

Rz. 56

Im Übrigen muss auch dann, wenn der Fahrzeughalter seiner Mitwirkungsobliegenheit hinsichtlich der Fahrerfeststellung nicht nachkommt, die Verfolgungsbehörde naheliegende und mit wenig Aufwand realisierbare Ermittlungen zur Fahrerfeststellung durchführen und dokumentieren.[150] Eine Ankündigung des Fahrzeughalters, wonach eine Mitarbeit bei der Ermittlung des Fahrzeugführers erfolgt, darf nicht ignoriert werden.[151] Insofern darf sich die Behörde ihre Aufgabenerfüllung auch nicht leicht machen. Die in diesem Zusammenhang teilweise zu beobachtende behördliche Praxis, nach der von Behörden geradezu schon reflexartig und schematisch ein Fahrtenbuch angeordnet wird, verbietet sich.

 

Rz. 57

Überhaupt spricht dann, wenn es nicht fernliegend erscheint, dass aufgrund der Verfahrensweise der Ordnungswidrigkeitenbehörde die berechtigte Vermutung besteht, dass die Ordnungswidrigkeitenbehörde keine ausreichenden Anstrengungen unternommen hat, das Verfahren vor Eintritt der Verfolgungsverjährung abschließend zu bearbeiten, vieles dafür, dass die Feststellung des Fahrzeugführers unzureichend betrieben wurde. In einem solchen Fall kann nicht i.S.d. § 31a StVZO angenommen werden, dass die Feststellung des Fahrzeugführers bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht möglich war.[152]

 

Rz. 58

Verzögerte Ermittlungen der Behörde schließen die Anordnung der Behörde grundsätzlich nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich war.[153] Gleiches gilt für die unterbliebene Akteneinsicht, die für die Nichtidentifizierung des betreffenden Fahrers nicht ursächlich war.[154]

 

Rz. 59

Wann es sich um eine von vornherein aussichtslose Ermittlungsbemühung handelt, ist eine Frage des Einzelfalls. So kann sich beispielsweise nach Vorlage des Passfotos des dem Halter ähnlich sehenden Bruders, der als Fahrer in Betracht kommt, eine persönliche Anhörung des Bruders aufdräng...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?