Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 45
Wird die Beschwerde nicht beim Ausgangsgericht eingelegt, wird dadurch die Frist nicht gewahrt. Maßgeblich ist dann, wann die Beschwerde, die vom unzuständigen Gericht an das zuständige Gericht weitergeleitet wird, dort eintrifft.
Nach der Rechtsprechung des BGH darf eine Partei zwar darauf vertrauen, dass der beim unzuständigen Gericht eingereichte Schriftsatz noch rechtzeitig an das zuständige Gericht weitergeleitet wird, wenn dieser Schriftsatz so frühzeitig eingegangen ist, dass die fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. Kommt das angerufene Gericht dem nicht nach, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Rz. 46
Jedoch stellt es kein Versäumnis dar, dass der am Samstag eingegangene Schriftsatz nicht schon am Montag, sondern erst am Dienstag bearbeitet wurde. Die am Dienstag erfolgte abschließende Bearbeitung durch das Amtsgericht bewegt sich vielmehr ohne weiteres im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs und verletzt den Anspruch auf ein faires Verfahren nicht.
Rz. 47
BGH, Beschl. v. 29.8.2017 – VI ZB 49/16, juris
Zitat
1. Der Prozessbevollmächtigte ist verpflichtet, einen Fristverlängerungsantrag darauf zu überprüfen, ob er an das zuständige Gericht adressiert ist. (Rn 7)
2. Erteilt der Rechtsanwalt eine den Inhalt der Rechtsmittelschrift oder des Antrags auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist betreffende Weisung im Vorfeld der Erstellung des Schriftsatzes, so entbindet ihn diese Anordnung regelmäßig nicht von seiner Pflicht, das ihm in der Folge vorgelegte Arbeitsergebnis vor der Unterzeichnung sorgfältig auf die richtige und vollständige Umsetzung der anwaltlichen Vorgaben zu überprüfen.
BGH, Beschl. v. 29.3.2017 – XII ZB 567/16
Zitat
Eröffnet ein Gericht die Möglichkeit der Weiterleitung von Schriftstücken an das zuständige Gericht, so genügt der Anwalt seinen Sorgfaltspflichten bereits dann, wenn er einen fristgebundenen Schriftsatz so rechtzeitig abgibt, dass er einen fristgemäßen Eingang beim zuständigen Gericht mit Sicherheit erwarten darf (im Anschluss an BGH, Beschlüsse v. 23.3.2006 – IX ZB 56/05, AnwBl 2006, 491 und v. 12.7.1961 – I ZB 2/61, VersR 1961, 923). (Rn 10)
BGH, Beschl. v. 25.1.2017 – XII ZB 504/15
Zitat
…
3. Hat der Beschwerdeführer die Begründung seines Rechtsmittels in einer Familienstreitsache irrtümlich beim Amtsgericht eingereicht, ist dieses lediglich gehalten, die Begründungsschrift im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Auch wenn sich die Verfahrensakte noch beim Amtsgericht befindet, muss dieses nicht prüfen, ob die Weiterleitung besonders eilbedürftig ist. Es ist auch nicht gehalten, den Rechtsmittelführer telefonisch darauf hinzuweisen, dass er das Rechtsmittel beim falschen Gericht eingelegt hat (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 27.7.2016 – XII ZB 203/15, FamRZ 2016, 1762).
BGH, Beschl. v. 27.7.2016 –XII ZB 203/15
Zitat
Ist eine Beschwerdebegründung in einer Familiensache innerhalb der Begründungsfrist (per Fax) an das unzuständige Amtsgericht gesandt worden, von diesem an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden, bei diesem aber erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangen, ist eine Wiedereinsetzung hier nicht deshalb zu gewähren, weil die Beschwerdebegründung nicht rechtzeitig weitergeleitet worden wäre. Vorliegend konnte der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsanwalt nicht erwarten, dass die am 20.1.2015 gefaxte Beschwerdebegründung, nach der am 21. Januar vom zuständigen Richter verfügten Weiterleitung noch rechtzeitig bis zum 26. Januar beim Oberlandesgericht eingehen würde, weil die Versendung durch Kurier erfolgte. Dass der Schriftsatz nicht binnen der folgenden 3 Arbeitstage beim Oberlandesgericht einging und die Kuriersendung erst am 26.1.2015 abging, widerspricht nicht dem ordentlichen Geschäftsablauf und begründet daher nicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Wenn somit der Kurierdienst den Schriftsatz nicht so zeitig zum Rechtsmittelgericht befördert hat, dass dadurch die Frist gewahrt werden konnte, ist dieses Risiko von dem Verfahrensbeteiligten zu tragen, dessen Rechtsanwalt den Schriftsatz an das falsche Gericht adressiert hat (Festhaltung BGH, 19.12.2012 – XII ZB 61/12, FamRZ 2013, 436). Es bleibt daher bei der alleinigen Ursächlichkeit des Anwaltsverschuldens. (Rn 12)
Rz. 48
BGH Beschl. v. 17.8.2011, XII ZB 50/11