Rz. 58
Die klassische Gestaltung zugunsten eines Kindes mit Behinderung durch Vor- und Nacherbfolge und Dauertestamentsvollstreckung ist in Zeiten niedriger Zinsen bzw. bei einem geringeren Erbteil als 150.000 EUR häufig nicht geeignet, die oben genannten Ziele der Gestaltung, insbesondere die spürbare Steigerung der Lebensqualität des Begünstigten, zu erreichen und einen (späteren) Zugriff des Sozialleistungsträgers auf das Vermögen zu verhindern.
Rz. 59
Das Stiftungsrecht bietet eine interessengerechte Gestaltungsoption: Gründet der Erblasser eine nichtselbstständige Stiftung in Gestalt einer Familienverbrauchsstiftung mit dem Abkömmling mit Behinderung als einzigem Destinatär, so entsteht ein zweckgebundenes und vollständig zugunsten des Begünstigten verbrauchbares Vermögen. Zweck der Stiftung ist es, dem Destinatär solche Geld- oder Sachleistungen zuzuwenden, die der Verbesserung seiner Lebensqualität dienen, auf die der Sozialhilfeträger aber nach den sozialleistungsrechtlichen Vorschriften nicht zugreifen kann und hinsichtlich derer eine Anrechnung auf etwaige Sozialleistungen nicht in Betracht kommt.
Rz. 60
Die Gründung erfolgt durch einen Vertrag zwischen dem Erblasser und einem Treuhänder. Der Erblasser kann den Vertrag frei und ohne erbrechtliche Einschränkungen gestalten. Er kann durch einen Beirat etwa Geschwisterkinder oder weitere Bezugspersonen in die Verwaltung der Stiftung einbeziehen und hierdurch eine effektive Kontrolle der Stiftung erreichen. Ein Interessenkonflikt, wie er im Falle der Einsetzung des gesetzlichen Betreuers als Testamentsvollstrecker zu befürchten gilt, ist bei der Mitarbeit im Beirat ausgeschlossen. Die Stiftung endet, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat, spätestens mit dem Tod des Destinatärs. Das noch vorhandene Stiftungsvermögen fällt entsprechend der Vorstellung des Erblassers den Geschwisterkindern oder einer gemeinnützigen Institution an.
Rz. 61
Die Gründung, Ausstattung und Erbeinsetzung der nichtselbstständigen Familienverbrauchsstiftung ist durch einen auflösend bedingten Pflichtteilsverzicht des Destinatärs abzusichern. Durch die Regelung des § 2346 BGB besteht die Möglichkeit eines auf das Pflichtteilsrecht beschränkten Verzichts des Berechtigten. Der Pflichtteilsverzicht lässt das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden nach dem Erblasser unberührt.
Rz. 62
Die Verknüpfung des Pflichtteilsverzichts mit einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung ist ohne Weiteres zulässig. Die zu wählende auflösende Bedingung besteht in der Einsetzung der gegründeten nichtselbstständigen Familienverbrauchsstiftung als (Mit-)Erben zu einer bestimmten Quote, mit dem Verzichtenden als Destinatär und einem festgelegten Stiftungszweck. Der durch den Betreuer erklärte Pflichtteilsverzicht ist aufgrund der gewählten auflösenden Bedingung durch das Betreuungsgericht genehmigungsfähig (§ 1851 Nr. 9, § 1982 Abs. 2, 3 BGB).
Rz. 63
Die stiftungsrechtliche Lösung bietet Eltern mit kleinerem und mittlerem Vermögen eine effektive Möglichkeit, ihrem Kind mit Behinderung eine spürbare Teilhabe am Nachlass zu eröffnen. Ein Zugriff bzw. Regress des Sozialleistungsträgers ist weder zu Lebzeiten noch nach dem Tod des Kindes mit Behinderung zu befürchten, da weder die Nachlasssubstanz noch die nicht verbrauchten Erträge dem Vermögen des Kindes zuzuordnen sind. Etwaige Ansprüche aus § 11a Abs. 4, 5 SGB II, § 84 SGB XII scheiden aus, da das Kind mit Behinderung als Destinatär keinen Leistungsanspruch gegen die nichtselbstständige Familienverbrauchsstiftung erwirbt und eine Überkompensation der sozialrechtlichen Grundversorgung nicht erfolgt. Bei entsprechender vertraglicher Gestaltung mit dem Stiftungsträger entstehen keine höheren Kosten als bei angeordneter Dauertestamentsvollstreckung. Eine Erbengemeinschaft mit dem Kind mit Behinderung wird effektiv vermieden.