Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 51
Die AG haftet ihren Gläubigern mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 1 Abs. 1 AktG; allgemein zur AG § 10 B.). Eine Haftung der Aktionäre mit ihrem Privatvermögen ist grds. ausgeschlossen. Das Grundkapital der AG ist gem. § 1 Abs. 2 AktG in Aktien zerlegt; jede Aktie stellt einen nach der Gesamtzahl der ausgegebenen Aktien berechneten Bruchteil des Grundkapitals dar. Als Aktie bezeichnet man ein auf einen bestimmten Nennwert lautendes oder mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital versehenes Wertpapier (vgl. § 8 AktG).
Rz. 52
Folgende Charakteristika prägen die AG:
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die Beschaffung großer Kapitalbeträge mit langfristiger Bindung als Haftkapital durch einen großen und wechselnden Kreis von Anteilseignern ("Kapitalsammelbecken"); Aktienkapital kann seitens der Anteilseigner i.d.R. nicht gekündigt, sondern nur, bspw. über die Börse, veräußert werden; |
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dem Anleger wird (im Fall einer börsennotierten AG) das jederzeitige Handeln von Aktien an Börsen und deren formlose Übertragung ermöglicht; das Interesse des Anlegers an individuellen Zeiträumen für das Halten von Aktien wird mit dem Interesse der AG an langfristigem Eigenkapital in Einklang gebracht; |
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Eigentum (der Aktionäre) und Verfügungsmacht (des Vorstands) sind getrennt; die Geschäftsführung wird von angestellten Managern übernommen. |
Rz. 53
Wegen der beschränkten Haftung auf das Gesellschaftsvermögen der AG und des hierdurch tendenziell höheren Gläubigerrisikos bestehen u.a. folgende Regelungen zum Schutz der Gläubiger:
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Das Grundkapital der AG muss auf einen Nennbetrag in EUR lauten (§ 6 AktG), und mindestens eine Höhe von 50.000,00 EUR haben (§ 7 AktG). Nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG ist die Höhe des Grundkapitals zwingend in der Satzung festzusetzen. |
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Gem. § 8 Abs. 2, 3 AktG beträgt der Mindestnennbetrag einer Aktie oder der mindestens auf eine Stückaktie entfallende Betrag 1,00 EUR. Anders als GmbH-Anteile sind Aktien nicht teilbar (§ 8 Abs. 5 AktG). Eine Ausgabe einer Aktie unter ihrem Nennbetrag (sog. Unterpari-Emission) ist unzulässig (§ 9 Abs. 1 AktG); eine Ausgabe über dem Nennwert oder dem auf die einzelne Stückaktie entfallenden Anteil am Grundkapital ist jedoch möglich (sog. Überpari-Emission). Der Mehrbetrag wird dann als Agio bezeichnet und gehört dann zum Eigenkapital der AG; er muss der Kapitalrücklage zugeführt werden (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB, § 150 AktG). |
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Einlagen dürfen den Aktionären nicht (von der AG) zurückgewährt werden (§ 57 Abs. 1 AktG). |
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Aktionäre haben einen Anspruch auf den Bilanzgewinn, falls eine Verteilung nicht ausgeschlossen wurde (§ 58 Abs. 4 AktG). |
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Bei Kapitalherabsetzungen dürfen Zahlungen an die Aktionäre nur geleistet werden, wenn bestimmte Gläubigerschutzvorschriften beachten werden (§§ 222 ff. AktG). |
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Bei einem Verlust des Grundkapitals i.H.v. 50 % hat der Vorstand unverzüglich eine Hauptversammlung einzuberufen und ihr den Verlust anzuzeigen (§ 92 Abs. 1 AktG). |
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Deckt das Vermögen der AG nicht die Schulden oder ist die AG zahlungsunfähig, dann hat der Vorstand die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Verzögern zu beantragen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 AktG a.F.). |
Rz. 54
Für die Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister (§ 36 AktG) ist bei Bargründungen mindestens ein Viertel des "geringsten Ausgabebetrages", also des Nennwertes bzw. des Anteils der ausgegebenen Aktie am Grundkapital einzuzahlen (§ 36a Abs. 1 AktG). Sacheinlagen sind vollständig zu leisten (§ 36a Abs. 2 Satz 1 AktG). Nach Aufforderung durch den Vorstand haben die Aktionäre die Einlagen vollständig einzuzahlen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 AktG). Ebenso wie das GmbHG sieht das AktG bei der Verletzung dieser Pflicht des Aktionärs Sanktionen vor: Werden eingeforderte Beträge nicht rechtzeitig geleistet, so sind Verzugszinsen i.H.v. 5 % zu entrichten (§ 63 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Geltendmachung weiterer Schäden bleibt gem. § 63 Abs. 2 Satz 2 AktG unberührt. Gem. § 64 Abs. 1 AktG kann der in Verzug geratene Aktionär nach Ablauf einer Nachfrist im Wege der Kaduzierung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Nach dem Ausschluss ist der im Aktienregister verzeichnete Vormann des säumigen Aktionärs, aber nur 2 Jahre lang, zur Zahlung verpflichtet (§ 65 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AktG). Wenn der Betrag vom Vormann nicht zu erlangen ist, werden die Aktien zum Börsenpreis oder bei Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung verkauft (§ 65 Abs. 3 Satz 1 AktG).
Rz. 55
Vom Grundkapital zu unterscheiden ist das Gesellschaftsvermögen. Dieses umfasst sämtliche Sachen, Rechte und sonstigen Vermögensgegenstände der AG. Anders als das Grundkapital ist der Umfang des Gesellschaftsvermögens Schwankungen unterworfen. Der Schutz der Gläubiger der AG erstreckt sich mithilfe entsprechender Vorschriften zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung auf das gesamte Gesellschaftsvermögen und nicht nur auf das Grundkapital. Er geht damit über den Schutz der Gläubiger bei der GmbH hinaus.
Das Eigenkapital ist ebenfalls...