Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 129
Die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (§§ 237–239 AktG) führt zum Untergang einzelner Aktien und zur Verringerung des Grundkapitals um den Anteil der eingezogenen Aktien. Durch diese Form der Kapitaleinziehung können Verluste beseitigt, einzelne Aktionäre ausgeschlossen oder bestimmte Aktien beseitigt werden.
Rz. 130
Das Gesetz kennt zwei Arten der Einziehung:
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die Zwangseinziehung eigener Aktien und |
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den Rückerwerb eigener Aktien. |
Das zwangsweise Einziehen eigener Aktien ist an entsprechende Satzungsvorschriften gebunden, die bereits bei Zeichnung oder Übernahme bestanden haben müssen (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Zwangseinziehung ist zulässig, wenn sie in der ursprünglichen Satzung oder durch eine bewirkte Änderung der Satzung angeordnet oder gestattet ist (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Rz. 131
Bei der angeordneten Zwangseinziehung muss die Satzung die Umstände der Einziehung so genau bestimmen, dass für den Vorstand kein Ermessensspielraum bleibt. Die Voraussetzungen unter denen eine Zwangseinziehung angeordnet werden soll, kann die Satzung relativ frei bestimmen. Eine besondere sachliche Rechtfertigung im Interesse der Gesellschaft ist nach herrschender Auffassung nicht erforderlich, denn die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs sind wegen der Anordnung in der Satzung von vornherein eingeschränkt. Bei der gestatteten Zwangseinziehung kann die Satzung die Voraussetzungen und die Art und Weise der Aktieneinziehung in das Ermessen der Hauptversammlung stellen oder selbst regeln. Die lediglich gestattete Zwangseinziehung muss aber im Interesse der Gesellschaft sachlich gerechtfertigt sein, denn sie beseitigt Mitgliedschaftsrechte und bedeutet daher einen schwerwiegenden Eingriff.
Rz. 132
Vorschriften über ein Einziehungsentgelt für die Aktien finden sich im AktG nicht. Nach überwiegender Auffassung muss die Zahlung einer Abfindung aber bei der angeordneten Zwangseinziehung in der Satzung geregelt sein. Bei der gestatteten Zwangseinziehung werden Regelungen hierzu in der Satzung als zulässig, aber nicht als zwingend erachtet. Enthält die Satzung keine Bestimmung über ein Einziehungsentgelt, so ist die Einziehung nur bei angemessener Abfindung zulässig. Hierbei sollten die Grundsätze aus § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG zugrunde gelegt werden, was grds. zu einer Orientierung am Ertragswert der Aktie führt. Der Börsenkurs kann allenfalls als Untergrenze dienen. Will eine Satzung vom Grundsatz der angemessenen Abfindung abweichen, muss sie die Höhe des Entgeltes selbst bestimmen und darf diese nicht in das freie Ermessen der Hauptversammlung stellen.
Rz. 133
Die Einziehung von Aktien nach einem Erwerb durch die Gesellschaft kann jederzeit, und ohne dass es einer besonderen Zulassung in der Satzung bedarf, erfolgen (§ 237 Abs. 1 AktG). Die Gesellschaft muss dinglicher Rechtsinhaber der Aktien sein, bevor sie diese einzieht. Die Hauptversammlung kann die Kapitalherabsetzung durch Einziehung aber schon für erst noch zu erwerbende Aktien beschließen. Der Beschluss ist dann durch den Erwerb der Aktien bedingt. Eine Einziehung ist auch möglich, wenn gegen die in § 71 AktG für den Erwerb eigener Aktien genannten Restriktionen verstoßen wurde und die schuldrechtlichen Erwerbsgeschäfte daher unwirksam sind, da das dingliche Geschäft hiervon unberührt bleibt (§ 71 Abs. 4 Satz 1 AktG). In diesem Fall ist die Gesellschaft sogar gem. § 71c Abs. 3 AktG verpflichtet, die Aktien nach § 237 AktG einzuziehen, wenn diese nicht innerhalb eines Jahres nach deren rechtswidrigem Erwerb veräußert wurden. § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG erlaubt den Erwerb von eigenen Aktien durch die Gesellschaft eigens zum Zweck der Einziehung.
Beispiel
Wegen hoher Verluste und schlechter Gewinnerwartungen ist die 50-EUR-Aktie der X-AG zurzeit bei 25,00 EUR notiert. Die Gesellschaft entschließt sich, Sachvermögen für 5 Mio. EUR zu veräußern und das Unternehmen zu sanieren. Mit den Mitteln aus dieser Veräußerung erwirbt die X-AG ihre eigenen Aktien mit einem Nennwert von 10 Mio. EUR. In der Bilanz werden die Aktien zum Anschaffungspreis bilanziert. Nach dem Aktienerwerb werden diese eingezogen. Das Grundkapital vermindert sich dadurch um den Nennbetrag der eigenen Aktien i.H.v. 10 Mio. EUR. Dies hat den Effekt, dass der Verlust aus der Bilanz verschwindet.
Rz. 134
Für beide Einziehungsarten gibt es zwei Einziehungsverfahren:
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das ordentliche Einziehungsverfahren und |
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das vereinfachte Einziehungsverfahren, |
wobei das ordentliche Einziehungsverfahren den Regeln über die ordentliche Kapitalherabsetzung folgt (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AktG), diese Regeln bei der einfachen Einziehung jedoch nicht beachtet zu werden brauchen (§ 237 Abs. 3 AktG). Die einfache Einziehung setzt voraus, dass die Aktien, auf welche der Ausgabebetrag voll geleistet ist, der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden; oder aber sie werden zulasten des Bilanzgewinns oder einer anderen Gewinnrücklage, soweit sie zu diesem Zweck verwa...