Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 113
Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207–220 AktG) fließt der AG – im Unterschied zu den vorgenannten Kapitalerhöhungen – kein zusätzliches Kapital zu. Es erfolgt lediglich eine Umschichtung des bilanzierten Eigenkapitals, also buchmäßig ein Tausch auf der Passivseite.
Es ändert sich die Zusammensetzung des Eigenkapitals hinsichtlich des gezeichneten Kapitals und der Gewinnrücklagen. Die Bilanz wird jedoch nicht verlängert.
Rz. 114
Durch diese Form der Kapitalerhöhung wird eine Stärkung der Gesellschaft bewirkt, denn das Grundkapital wird wesentlich strenger gebunden als bei Rücklagen. Hierdurch werden Zuwendungen für Aktionäre ohne einen Liquiditätsverlust ermöglicht (sog. Stock Dividend) und der Börsenkurs der Aktie lässt sich reduzieren, um die Aktie marktgängiger zu machen.
Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stehen den Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile Zusatzaktien bzw. Gratisaktien zu. Durch den kostenlosen Erhalt dieser Aktien haben die Aktionäre keinen finanziellen Vorteil, denn die umgewandelten Rücklagen sind letztlich nicht ausgeschüttete Gewinne.
Rz. 115
Für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln können genutzt werden:
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die Kapitalrücklagen und gesetzliche Rücklagen (§ 266 Abs. 3 Buchst. A. III. 1 HGB), soweit sie zusammen 10 % oder den durch Satzung bestimmten höheren Anteil des bisherigen Grundkapitals übersteigen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AktG); |
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andere Gewinnrücklagen (§ 266 Abs. 3 Buchst. A. III. 4 HGB) und Zuführungen zu diesen in voller Höhe, soweit sie die anderen Gewinnrücklagen bzw. dem Zweck entsprechende satzungsmäßige Rücklagen sind (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AktG). |
Rücklagen und deren Zuführungen dürfen jedoch dann nicht umgewandelt werden, wenn die zugrundeliegende Bilanz einen Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, aufweist (§ 208 Abs. 2 Satz 1 AktG). Zweckbestimmte Rücklagen und deren Zuführungen dürfen nur umgewandelt werden, soweit dies mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist (§ 208 Abs. 2 Satz 2 AktG). Sonderrücklagen nach § 218 Satz 2 AktG sind ebenfalls nicht umwandlungsfähig.
Rz. 116
Folgende Schritte sind bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zu beachten:
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Die Hauptversammlung fasst einen Beschluss zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit einer Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals (§§ 207 Abs. 2, 182 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AktG). Der Kapitalerhöhungsbeschluss muss insb. den genauen Erhöhungsbetrag enthalten und bezeichnen, welche Rücklagen umgewandelt werden sollen. Des Weiteren muss die Bilanz, die der Kapitalerhöhung zugrunde liegen soll, enthalten sein und die Art der Erhöhung des Grundkapitals (Ausgabe neuer Aktien, Erhöhung des Nennbetrages, bloße Erhöhung des Grundkapitals) benannt werden. Der Beschluss kann erst gefasst werden, wenn der Jahresabschluss für das letzte vor der Beschlussfassung abgelaufene Geschäftsjahr nach §§ 172, 173 AktG festgestellt ist (§ 207 Abs. 3 AktG). Dem Beschluss muss eine Bilanz zugrunde gelegt werden (§ 207 Abs. 3 AktG), deren Stichtag höchstens 8 Monate vor dem Tage der Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegt (§ 209 AktG). |
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Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrates melden den Kapitalerhöhungsbeschluss gemeinsam zur Eintragung ins Handelsregister an (§§ 207 Abs. 2 Satz 1, 184 Abs. 1 Satz 1 AktG). |
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Das Registergericht prüft die Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen. Ob die Bilanzen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, braucht das Gericht nicht zu prüfen (§ 210 Abs. 3 AktG). Bei der Eintragung ist ausdrücklich anzugeben, dass es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt (§ 210 Abs. 4 AktG). Die Eintragung ist durch das Registergericht bekannt zu machen. |