Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 159
Eine weitere Form der Fremdfinanzierung ist das Schuldscheindarlehen. Hierbei handelt es sich um ein langfristiges Großdarlehen, das Industrieunternehmen, öffentliche Stellen oder bestimmte Kreditinstitute mit Sonderaufgaben (direkt oder indirekt über eine Bank) in erster Linie bei Kapitalsammelstellen aufnehmen, und über das zu Zwecken der Beweissicherung ein Schuldschein ausgestellt wird.
Der Schuldschein ist eine Urkunde, in der der Schuldner zur Beweiserleichterung das Bestehen einer Schuld bestätigt. Schuldscheindarlehen werden typischerweise von Versicherungsunternehmen, auch von Trägern der Sozialversicherung und anderen Kapitalsammelstellen, gewährt und erhielten ihren Namen von der früher üblichen Unterlegung langfristiger Darlehen durch einen Schuldschein. Der Schuldschein ist aber kein verbrieftes Darlehen, keine Schuldverschreibung und kein Wertpapier, sondern dient lediglich der Beweissicherung.
Rz. 160
Die Bonitätsanforderungen, die von den Versicherungsunternehmen an die sog. Deckungsstockfähigkeit einer Anlage gestellt werden, sind ausschlaggebend dafür, ob ein Unternehmen schuldscheinfähig ist oder nicht.
Versicherungen brauchen nur einen kleinen Teil ihrer Prämieneinnahmen für die laufende Risikoabdeckung. Der weitaus größere Teil kann deshalb als Sparbestandteil der langfristigen Vermögensanlage dienen. Solche Vermögensanlagen sind einem für die langfristigen Ansprüche der Versicherten reservierten Sondervermögen, dem sog. Deckungsstock (Prämienreservefonds), zuzuführen.
Rz. 161
Schuldscheindarlehen werden nur in Ausnahmefällen direkt und selbst vermittelt. In der Praxis kommen die Verträge über Schuldscheindarlehen meist indirekt über eine dazwischengeschaltete Bank zustande, wobei diese nur als reiner Vermittler auftreten kann. Oft nimmt sie aber nicht nur die Rolle des Maklers ein, sondern geht selbst eine Gläubiger-Schuldner-Beziehung mit den kreditsuchenden Unternehmen ein. Anhand dieser unterschiedlichen Möglichkeiten werden die Varianten des indirekten Schuldscheindarlehens folgendermaßen bezeichnet:
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Bei einem Schuldscheindarlehen auf Zessionsbasis ist die Bank nur vorübergehend primärer Darlehensgeber, denn sie behält sich das Recht vor, die Forderung an Dritte abzutreten (Zession). Im Anschluss daran platziert die Bank das Darlehen durch Teilabtretungen ihrer Darlehensforderung bei anderen Kapitalsammelstellen. Dazu macht das Kreditinstitut den Versicherungsunternehmen ein Angebot zur Übernahme des gesamten Darlehens oder von Teilbeträgen. |
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Gewährt ein Versicherer einer Bank ein Schuldscheindarlehen mit der Bedingung, es an bestimmte Enddarlehensnehmer weiterzureichen, so spricht man von einem Refinanzierungsdarlehen. Letztendlich kommt es dann zu zwei fast gleich lautenden, rechtlich aber voneinander unabhängigen Verträgen. Zum einen wird ein Darlehensvertrag zwischen dem Versicherer und der Bank geschlossen und zum anderen einer zwischen der Bank und dem endgültigen Darlehensnehmer. Die Zwischenschaltung der Bank ermöglicht mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Schuldscheindarlehen. Direkt wäre dies nicht möglich, da die Emissionen von Schuldtiteln solcher Unternehmen i.d.R. nicht deckungsstockfähig sind. |
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Bei einem Globaldarlehen legt der Versicherer langfristig Geld bei einer Bank fest. Diese kann dann Enddarlehensnehmern, die zur Zeit der Schuldscheindarlehensvergabe durch den Versicherer noch nicht feststanden, Schuldscheine geben. |
Rz. 162
Eine weitere Unterscheidung der Schuldscheindarlehen kann nach der Art der Mittelaufbringung erfolgen:
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Beim Einzelschuldscheindarlehen bringt ein einziger Versicherer das Darlehen auf. |
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Beim Konsortialdarlehen wird das Darlehen von mehreren Versicherern aufgebracht, um das damit verbundene Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen. Oft werden dafür Banken oder andere Finanzmakler als Vermittler dazwischengeschaltet. |
Rz. 163
Schließlich ergeben sich noch Unterschiede bei der Abstimmung auf den Finanzmittelbedarf des Darlehensnehmers:
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Bei der laufzeitkonformen Platzierung stellt der Darlehensgeber das Kapital genau mit der Laufzeit zur Verfügung, für die der Kapitalnehmer Kapital sucht. |
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Bei der laufzeitinkonformen Platzierung benötigt der Darlehensnehmer das Kapital für einen längeren Zeitraum als die Darlehensgeber bereit sind, es zur Verfügung zu stellen. Wenn die Bereitstellung von langfristigem Kapital dennoch funktionieren soll, so ist dies nur durch eine Fristentransformation möglich. In diesem Fall verlängern die Darlehensgeber entweder ihre Mittel jeweils nach Ablauf der Frist (Prolongation) oder es müssen neue Kapitalgeber gefunden werden, die die nicht prolongierten Beträge ersetzen (Substitution). |
Rz. 164
Eine vorzeitige Tilgung eines Schuldscheindarlehens ist i.d.R. nicht möglich. Ab einem gewissen Finanzierungsvolumen übersteigen die höheren Zinskosten des Schuldscheindarlehens i.d.R. die mit der Emission von Industrieobligationen verbundenen Emissionskosten und laufenden Kosten wie Kuponeinlösung...