Rz. 24

1. Verjährung

Auch wenn es zum Teil um sehr hohe Beträge geht, gelten auch für den Verfall die für Verkehrsordnungswidrigkeiten maßgeblichen (kurzen) Verjährungsfristen. Denn gem. § 31 Abs. 1 OWiG ist nämlich, wenn die zugrundeliegende Ordnungswidrigkeit verjährt ist, auch die Anordnung von Nebenfolgen, wie dem Verfall, ausgeschlossen.

2. Verfallanordnung gegen Unternehmen und deren Verantwortliche

Die Verfallanordnung gegen den Täter selbst (§ 29a Abs. 1 OWiG) ist ebenso unproblematisch, wie die Inanspruchnahme eines Dritten (§ 29a Abs. 2 OWiG). Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass gegen den Täter ein Bußgeldverfahren betrieben wird und dieses (noch) nicht mit einer Sachentscheidung endete.

Problematisch ist jedoch das in der Regel gegen das Unternehmen eingeleitete selbstständige Verfallverfahren gem. § 29a Abs. 4 OWiG. Ein selbstständiges Verfahren darf nämlich nur eingeleitet werden, wenn gegen den Täter oder den sonst Verantwortlichen ein Verfahren nicht eingeleitet oder eingestellt wurde (OLG Koblenz zfs 2010, 108). Ist dagegen gegen den Disponenten oder den Geschäftsführer ein Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden, hindert dies ein Verfallverfahren gegen die Firma, deren Inhaber oder sonstige Verantwortliche (OLG Koblenz zfs 2007, 108; OLG Koblenz zfs 2010, 108; OLG Frankfurt DAR 2009, 97; OLG Zweibrücken NZV 2010, 477).

Umstritten ist, ob ein gegen den Fahrer rechtskräftig gewordener Bußgeldbescheid ebenfalls ein Verfahrenshindernis für ein Verfallverfahren gegen das Unternehmen darstellt. Die überwiegende Meinung verneint dies mit der Begründung, der gegen den Unternehmer oder den Disponenten erhobene Vorwurf knüpfe an einen anderen Sachverhalt an, nämlich an die von diesem getroffene Anordnung oder die Verletzung der Aufsichtspflicht (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2010, 256).

3. Stoffgleichheit

Zwischen Tat und Vorteil muss eine unmittelbare Kausalbeziehung bestehen, d.h. der Vorteil muss spiegelbildlich aus der rechtswidrigen Tat erlangt sein (OLG Celle DAR 2011, 642; BGH zfs 2017, 408). Vermögensvorteile, die durch den Einsatz des ursprünglich Erlangten erst nachträglich entstehen, unterliegen dem Verfall deshalb nicht (BGH NJW 2002, 2257).

4. Höhe des Verfalls

a)

Bruttoprinzip

Es gilt das Bruttoprinzip, d.h. es ist zunächst der Betrag zu bestimmen, der dem Täter zugeflossen ist. Die von ihm getätigten Aufwendungen (außer ggf. Steuern, BGHR StGB § 73 Abs. 3, Bruttoprinzip 1) sind nicht in Abzug zu bringen (BGH NJW 2012, 1159; OLG Düsseldorf NStZ 2014, 339). Der Betroffene geht damit, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG NJW 2004, 2073), sämtlicher Investitionen verloren, ohne dass es auf sein Verschulden ankäme.

 

Achtung: Nach Gesetzesänderung Abzüge möglich

Durch die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (BT Drucksache 18/9525 bzw. 18/11640) wurde der bußgeldrechtliche Verfall in § 29a OWiG weitgehend an die §§ 73c, 73 d StGB angegliedert. Zwar ist nach wie vor grundsätzlich für die Bestimmung des Erlangten die insgesamt erhaltene Gegenleistung zugrunde zu legen. Nach der jetzigen Fassung des § 29a Abs. 3 OWiG sind u.U. jedoch die für die Tat angefallenen Aufwendungen zu berücksichtigen, da das Gesetz jetzt eine subjektive Komponente enthält (BT Drucksachen wie vor S. 105, bzw. S. 78, 91). Danach müssen in Fällen, in denen der Täter (oder Teilnehmer) das Verbotene des Geschäfts lediglich fahrlässig und nicht bewusst vorsätzlich verkannt hat, von ihm getätigte Aufwendungen mindernd berücksichtigt werden (OLG Karlsruhe NZV 2019, 539).[2]

Nach überwiegender Auffassung sind jedoch nach wie vor sogenannte rechtmäßige hypothetische Kausalverläufe nicht zu berücksichtigen (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2010, 256; OLG Celle DAR 2011, 642; OLG Karlsruhe zfs 2013, 172; BGH zfs 2014, 408), wohingegen die Oberlandesgerichte Koblenz (zfs 2007, 108), Celle (NZV 2013, 610), Hamburg (Beck RS 2014, 03686), Braunschweig (Beck RS 2016, 00489) und Schleswig-Holstein (TransportR 2016, 372) dann, wenn die Fahrt genehmigungsfähig war, nur die für die durch die Nichteinholung der Genehmigung ersparten Aufwendungen für verfallen erklären wollen.

Das durch die Tat Erlangte ist exakt zu ermitteln und im Urteil darzulegen. Von dieser Aufgabe ist die Behörde auch nicht etwa im Hinblick auf das Bruttoprinzip entbunden (OLG Zweibrücken NZV 2010, 477; OLG Celle NZV 2013, 610; OLG Karlsruhe NZV 2014, 326).

b)

Bestimmung des Abschöpfungsbetrags

Erst wenn das Erlangte festgestellt ist, ist in einem weiteren Schritt zu bestimmen, in welchem Umfang der Betrag abzuschöpfen ist (BGH NJW 2002, 2257), denn da es bei § 29 OWiG, anders als beim strafrechtlichen Verfall nach § 73 StGB, keine Härtevorschrift gibt, gilt hier das Opportunitätsprinzip auch, soweit es um die Höhe geht. Vor allem ist im Hinblick auf die aus dem Bruttoprinzip drohenden unbilligen Härten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Entscheidung steht somit im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde oder des Gerichtes und kann u.U. zu einer entspreche...

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