Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 40
Eine außerordentliche Änderungskündigung, die im Grundsatz in Rspr. und Literatur anerkannt ist (BAG v. 7.6.1973, AP Nr. 1 zu § 626 BGB Änderungskündigung, KR/Rost, § 2 KSchG Rn 30; Schaub, ArbRHB, § 137 Rn 11), wird i.d.R. nur in Betracht kommen, wenn eine ordentliche Kündigung durch Gesetz (bspw. § 15 KSchG), Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag ausgeschlossen ist (für den Tarifvertrag: BAG v. 1.3.2007 – 2 AZR 580/05, NZA 2007, 1445; für den Arbeitsvertrag: BAG v. 2.3.2006, NZA 2006, 985). Der Umstand, dass die ordentliche Kündigung ausgeschlossen wurde, hat jedoch nicht zur Folge, dass die Anforderungen an die außerordentliche Kündigung herabgesetzt werden (BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 64/05, NZA 2006, 985). Haben die Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer ordentlich gekündigt werden darf, ist bei der Prüfung der Rechtsmäßigkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung insb. zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber damit bewusst ein hohes Risiko in Kauf genommen hat. Infolgedessen kann nicht jede Belastung, die mit einer Bindung an den Vertragsinhalt verbunden ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Änderungskündigung darstellen (BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 64/05, NZA 2006, 985).
Rz. 41
Auch für die außerordentliche Änderungskündigung, insbesondere für eine außerordentliche Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist, die der ordentlichen Änderungskündigung in den Rechtsfolgen angenähert ist, gilt, dass das Fehlen der sozialen Rechtfertigung einer Änderung der Arbeitsbedingungen oder deren Unwirksamkeit aus anderen Gründen nicht festgestellt werden kann, wenn der Vertrag der Parteien in Wirklichkeit nicht geändert werden soll. (BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 25/11, Rn 19; BAG v. 29.9.2011 – 2 AZR 617/10, Rn 14; vgl. hierzu im Einzelnen Rdn 7).
Rz. 42
Da es für die außerordentliche Änderungskündigung keine gesonderte gesetzliche Bestimmung gibt, sind auf sie i.Ü. die Regeln des § 2 KSchG anzuwenden (BAG v. 7.5.1984, DB 1985, 446). Der entsprechenden Anwendung der §§ 2, 4 S. 2 KSchG auf außerordentliche Änderungskündigungen steht auch nicht entgegen, dass § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG keine Verweisung auf § 2 KSchG enthält (BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 25/11, Rn 19; BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, Rn 12, EzA KSchG § 2 Nr. 80; BAG v. 19.6.1986, AP Nr. 16 zu § 2 KSchG 1969). Zwar ist in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung des § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG eine Verweisung auf die §§ 2, 4 S. 2 KSchG erneut nicht erfolgt. Dem Zweck des § 2 KSchG ist aber zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer die Wirksamkeit auch einer außerordentlichen Änderungskündigung gerichtlich überprüfen lassen kann, ohne zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes insgesamt riskieren zu müssen (BAG v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 155, 156).
Rz. 43
Voraussetzung ist wie bei jeder außerordentlichen Kündigung ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB (KR/Rost, § 2 KSchG Rn 31). Dieser liegt vor, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen für den Arbeitgeber unzumutbar ist, gleichzeitig die angebotenen Änderungen des Arbeitsvertrages dem Gekündigten aber zumutbar sind (BAG v. 6.3.1986, DB 1986, 2605; BAG v. 21.6.1995, BAGE, 80, 185, zu B II 2 c der Gründe; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn 199 ff.).
Rz. 44
Auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person können geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG v. 26.11.2009, AP Nr. 225 zu § 626 BGB, s.a. Rdn 26). Ein wichtiger Grund kann insb. dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist (BAG v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 155, 157). Dies bewirkt regelmäßig eine schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses, welcher der Arbeitgeber, soweit keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann (BAG v. 26.11.2009, AP Nr. 225 zu § 626 BGB Rn 24; BAG v. 5.6.2008, AP Nr. 212 zu § 626 BGB, s.a. Rdn 29; BAG v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 155, 157), wenn eine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht, mit einer außerordentlichen Änderungskündigung. Ist die ordentliche Kündbarkeit tariflich ausgeschlossen, kann eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigt sein (BAG v. 27.11.2003 AP Nr. 11 zu § 626 BGB Krankheit, zu B I 5 b der Gründe; BAG v. 18.10.2000, BAGE 96, 65, zu II 3 der Gründe; BAG v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 155, 157).
Rz. 45
Die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung unterliegt jedoch sehr hohen Anforderungen. Insb. darf sich der Arbeitgeber nicht ohne Not von getroffenen vertraglichen Zusagen lösen (BAG v. 25.10.2002, EzA BGB § 626 Änderungskündigung Rn 2). Schließt bspw. ein Tarifvertrag die ordentliche Kündigung aus, erlangen die Arbeitnehmer eine Rechtsposition, die sich dem Beamtenstatus annähert. Inf...