A. Einführung
Rz. 1
Das Kündigungsschutzgesetz ist nach seiner Konzeption ein "Bestandsschutzgesetz" und kein "Abfindungsgesetz". Die Regelung des § 9 KSchG durchbricht dieses Prinzip. Sie ist gemäß ihrem Charakter als Ausnahmeregelung eng auszulegen, was in der Praxis auch regelmäßig geschieht. § 9 KSchG dient dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Auflösung zerrütteter Arbeitsverhältnisse und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 2
Der Auflösungsantrag kann sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber gestellt werden. Die jeweiligen Voraussetzungen hierfür sind unterschiedlich. Auf Antrag des Arbeitnehmers hat das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist (§ 9 Abs. 1 S. 1 KSchG). Der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag setzt voraus, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist (§ 9 Abs. 1 S. 2 KSchG). Ist der Arbeitnehmer leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG, bedarf der Auflösungsantrag des Arbeitgebers keiner Begründung (§ 14 Abs. 2 S. 2 KSchG). Besonderheiten gelten für den Fall, dass beide Parteien einen Auflösungsantrag stellen.
B. Auflösungsantrag
I. Allgemeine Voraussetzungen des Auflösungsantrags
Rz. 3
Ein Auflösungsantrag kann nur im Rahmen eines anhängigen Kündigungsschutzprozesses gestellt werden. Das bedeutet, dass weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber bloß aufgrund im Arbeitsverhältnis eingetretener Störungen einen isolierten Auflösungsantrag bei Gericht stellen können, sondern nur im Zusammenhang mit einer bereits ausgesprochenen Kündigung. Zudem muss der Arbeitnehmer die ihm gegenüber ausgesprochene außerordentliche oder ordentliche Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage angreifen und kann dann in diesem Rahmen den Auflösungsantrag als zusätzlichen Antrag stellen. Der Arbeitgeber kann den Auflösungsantrag ebenfalls nur im laufenden, gegen ihn betriebenen Kündigungsschutzverfahren anbringen und wird ihn dann meist hilfsweise zu dem Klageabweisungsantrag stellen. Ein Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann nur gestellt werden, wenn für das Arbeitsverhältnis der persönliche (§ 1 Abs. 1 KSchG) und der sachliche (§§ 23 ff. KSchG) Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist.
Rz. 4
§ 9 Abs. 1 S. 1 und 2 KSchG gehen davon aus, dass eine ordentliche Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen wurde. Ist die Kündigung sozialwidrig und liegen die übrigen Voraussetzungen gem. § 9 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 KSchG vor, so löst das Gericht auf arbeitnehmer- bzw. arbeitgeberseitigen Antrag das Arbeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt auf, zu dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte (§ 9 Abs. 2 KSchG). Ist die ordentliche Kündigung fristgerecht (oder unter Gewährung einer längeren als der gesetzlich, tarif- oder einzelvertraglich einzuhaltenden Frist) erfolgt, so wird der darin ausgesprochene Beendigungszeitpunkt auch der Auflösung zugrunde gelegt. Hat der Arbeitgeber hingegen die einzuhaltende ordentliche Kündigungsfrist unzulässig verkürzt, so wird das Arbeitsverhältnis zu dem sich bei zutreffender Fristberechnung ergebenden Beendigungszeitpunkt aufgelöst. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer die Fehlerhaftigkeit der Berechnung der Kündigungsfrist im Rechtsstreit nicht gerügt hat.
Rz. 5
Aus § 13 Abs. 1 S. 3 KSchG ergibt sich, dass auch im Falle einer außerordentlichen Kündigung eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt werden kann. Allerdings kann der Antrag im Unterschied zur ordentlichen Kündigung nur vom Arbeitnehmer gestellt werden. Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers kann sich nach § 13 Abs. 1 S. 3 KSchG nicht auf eine außerordentliche Kündigung beziehen. Dies gilt auch für eine (ggf. hilfsweise) außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist im Falle der Unkündbarkeit. Ob eine tarifliche Unkündbarkeit einen Ausschluss des arbeitgeberseitigen Auflösungsantrages auch bei Beschäftigten in "herausragender" Position im Unternehmen rechtfertigt, hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen. Im Falle eines arbeitnehmerseitigen Antrages hat das Gericht bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung den Tag des Zugangs als Auflösungszeitpunkt anzusetzen. Bei außerordentlicher Kündigung mit notwendiger oder sozialer Auslauffrist wird der Tag zugrunde gelegt, mit dessen Ablauf das Arbeitsverhältnis nach der Kündigungserklärung enden sollte. Das gilt ausweislich des Wortlautes ("… den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde …") auch unter der Regelung des § 13 Abs. 1 S. 4 KSchG 2004. Der Arbeitnehmer muss sich ...