Rz. 42
Wird von Seiten des Arbeitnehmers erwogen, einen Auflösungsantrag gem. §§ 9, 10 KSchG zu stellen, sollte in der anwaltlichen Beratung auch eine Prüfung durchgeführt werden, inwieweit ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 628 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist zunächst ein Auflösungsverschulden des Vertragspartners, welches das Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB hat. Weiter bedarf es grundsätzlich des Ausspruchs einer außerordentlichen Kündigung durch den Anspruchsteller unter Wahrung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Norm findet allerdings nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis anderweitig infolge vertragswidrigen schuldhaften Verhaltens des anderen Vertragsteils, insbesondere durch Auflösung gem. §§ 9, 13 Abs. 1 S. 3 KSchG, oder auch durch außerordentliche Eigenkündigung des Arbeitnehmers mit Auslauffrist, beendet worden ist, solange nur das Auflösungsverschulden den Merkmalen des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB entspricht. Schließlich ist erforderlich, dass die Kündigung (oder Auflösung) durch das vertragswidrige Verhalten des anderen Teils veranlasst wird, dass also die Beendigung gerade wegen der Vertragswidrigkeit des Partners geschieht. Der aus einer außerordentlichen Eigenkündigung resultierende Anspruch auf Schadensersatz gem. § 628 Abs. 2 BGB beinhaltet nach neuerer Rechtsprechung des BAG einen angemessenen Ausgleich für den Verlust des durch das KSchG vermittelten Bestandsschutzes, dessen Bemessung sich an §§ 9, 10 KSchG orientiert. Dieser Entschädigungsanspruch wegen Verlustes des Bestandsschutzes setzt allerdings – neben der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes – voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Arbeitnehmerkündigung das Arbeitsverhältnis seinerseits nicht selbst hätte kündigen dürfen. Der Entschädigungsanspruch wird im Regelfall mit dem Anspruch auf Ersatz des etwa entstandenen Vergütungsausfalls kumuliert, wenn der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers bei unberechtigter fristloser Kündigung des Arbeitgebers zum Kündigungstermin einer (umgedeuteten) ordentlichen Kündigung hätte gestellt werden können.
Rz. 43
Praxishinweis
Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Auflösungsverschuldens gem. § 628 Abs. 2 BGB kann eine wirtschaftlich interessante Alternative zum Auflösungsantrag gem. §§ 9, 10 KSchG vor allem dann darstellen, wenn das vertragswidrige schuldhafte Verhalten des Arbeitgebers erst längere Zeit nach dem Ausspruch der Kündigung auftritt. Droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer beispielsweise in dem bereits zwei Jahre lang anhängigen Kündigungsschutzprozess für den Fall der Rückkehr in den Betrieb mit willkürlicher, nachteiliger Behandlung, kann die darauf gestützte arbeitnehmerseitige außerordentliche Kündigung dazu führen, dass der Arbeitnehmer (bei Feststellung der Unwirksamkeit der Arbeitgeberkündigung) Annahmeverzugslohn für die Zeit bis zu seiner außerordentlichen Kündigung und zusätzlich Schadensersatz gem. § 628 Abs. 2 BGB in Form einer Abfindung sowie Ersatz von Vergütungsausfall verlangen kann, während der stattdessen gestellte Antrag gem. §§ 9, 10 KSchG die Auflösung zu dem gem. § 9 Abs. 2 KSchG zu bestimmenden Zeitpunkt nach sich zieht, so dass zwar ebenfalls eine Abfindung, aber kein Annahmeverzugslohn in derartigem Umfang anfällt und auch Vergütungsausfall nicht gefordert werden kann.
Rz. 44
Ein durch § 15 KSchG geschützter Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis wegen eines durch vertragswidriges Verhalten seines Arbeitgebers veranlassten Grundes gekündigt hat, hat keine weitergehenden Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verlustes seines Arbeitsplatzes als ein nicht dem Sonderkündigungsschutz unterfallender Arbeitnehmer. Der Verlust dieses besonders geschützten Arbeitsplatzes begründet nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keinen über § 628 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 9, 10, 13 KSchG hinausgehenden Schadensersatzanspruch.
Rz. 45
Ist dem Arbeitnehmer bereits im Rahmen der gerichtlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gem. §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung zuerkannt worden, kann er einen zusätzlichen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 628 Abs. 2 BGB nur noch eingeschränkt geltend machen. Soweit es sich um unmittelbare, bereits im Rahmen der Bemessung der Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG berücksichtigte bzw. zu berücksichtigende Schäden handelt, ist ein Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschuldens aufgrund des unterbrochenen Rechtswidrigkeitszusammenhanges zwischen Auflösungsverschulden und dem durch die gerichtliche Auflösung entstehenden Schaden ausgeschlossen. Das bedeutet, dass die bereits gem. §§ 9, 10 KSchG zugesprochene Abfindung selbstredend nicht ein weiteres Mal als Schadensposition geltend gemacht werden kann. Aber auch ein durch die auflösungsbedingte Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eingetretener Verlust einer Anwartschaft auf betriebliche...