Rz. 56

Während das Abstellen auf den Todeszeitpunkt zur Bestimmung des Erbstatuts bei der gesetzlichen Erbfolge zu keinen Problemen führt (Ausnahme ordre public-Verstoß bei Anwendung des ausländischen Rechts), so kann die Anwendung des fremden Rechts, welches zum Zeitpunkt des Todes ermittelt wird, dann problematisch werden, wenn der Erblasser eine letztwillige Verfügung errichtet hat. Hat der Erblasser nach der Errichtung der Verfügung von Todes wegen die Staatsangehörigkeit gewechselt, so kann es passieren, dass aufgrund unterschiedlicher staatlicher Erbrechte die einmal errichtete Verfügung aufgrund des Erbstatuts der "neuen" Staatsangehörigkeit nicht mehr wirksam ist. Dieses Ergebnis ist jedoch ungewollt. Abzustellen ist also in Fällen, in denen eine Verfügung von Todes wegen vorliegt, nicht allein auf die Staatsangehörigkeit zum Todeszeitpunkt, sondern gemäß Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB auf das Personalstatut zum Errichtungszeitpunkt.[106] Das Gleiche gilt gemäß Art. 26 Abs. 5 S. 2 EGBGB für die Testierfähigkeit, falls der Erblasser Deutscher war oder später wurde.[107]

 

Rz. 57

Exkurs: Haager Testamentsformabkommen

Das Haager Testamentsformabkommen, welches seit dem 1.1.1966 für die Bundesrepublik gilt, bestimmt ausschließlich das für die Formerfordernisse einer letztwilligen Verfügung maßgebende Recht.[108] Dabei ist das Abkommen inhaltlich so gestaltet, dass eine letztwillige Verfügung formwirksam bleibt (favor testamenti).[109] Das Abkommen ist auch dann anwendbar, wenn die Beteiligten nicht Staatsangehörige eines Vertragsstaates sind.[110] Erreicht wird die Erhaltung der Formwirksamkeit dadurch, dass das Abkommen bei der Bestimmung des Formstatuts an verschiedene alternative Anknüpfungspunkte anknüpft.[111] Das Haager Testamentsformübereinkommen hat Vorrang (Art. 3 Abs. 2 EGBGB) vor innerstaatlichem internationalen Privatrecht.[112]

Das Haager Testamentsformübereinkommen wurde teilweise in Art. 26 EGBG a.F. integriert, sodass das Abkommen also noch direkt bzw. neben Art. 26 EGBGB a.F. anzuwenden ist.[113] Das Haager Testamentsformabkommen stellt einen Katalog von Anknüpfungspunkten bereit (Heimatrecht des Erblassers, Ortsrecht, Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, Recht des belegenen Immobiliarvermögens, Erbstatut, Errichtungsstatut), um eine möglichst weitgehende Sicherung der Formgültigkeit letztwilliger Verfügungen zu erreichen. Die angebotenen Anknüpfungspunkte sind dabei als Katalog, nicht als Leiter zu verstehen, was bedeutet, dass sie nebeneinander, nicht nacheinander zur Verfügung stehen.[114] Die letztwillige Verfügung ist bereits formgültig, wenn sie den Formerfordernissen eines Rechts aus dem vorbezeichneten Gesamtkatalogs genügt.

Das Haager Testamentsformabkommen ist auf Erbverträge und Erbverzichte nicht anwendbar.

[106] MüKo/Birk, Art. 25 EGBGB Rn 20 (2015).
[107] Staudinger/Dörner, Art. 26 EGBGB, Rn 84 (2007).
[108] Damrau/Tanck/Weber, Praxiskommentar Erbrecht, § 2247 Rn 80.
[109] Staudinger/Dörner, Vorb. Art. 25 Rn 32 (2007).
[110] Hohloch/Heckel, in: Hausmann Hohloch, Handbuch des Erbrechts, Kapitel 26 Rn 23.
[111] Süß/Haas, Erbrecht in Europa, § 1 Rn 33 (2. Auflage 2008).
[112] BGH FamRZ 1994, 1585.
[113] Palandt/Thorn, Art. 26 EGBGB Rn 1 (2014).
[114] Hohloch/Heckel, in: Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, Kapitel 26 Rn 141.

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