Rz. 2
Die D&O-Versicherung stammt aus dem anglo-amerikanischen Raum. Einige Syndikate bei Lloyd’s boten ab 1933 erste D&O-Versicherungen an. Letztlich wird der D&O-Vertrag als Reaktion auf den "schwarzen Freitag" – den Zusammenbruch der New Yorker Börse am 25.10.1929 – und den Erlass von Bundeswertpapiergesetzen in den USA verstanden ("Securities Act 1933" und "Securities Exchange Act 1934"). Wegen ständig steigender Zahlen von Klagen von Aktionären und Dritten, und weil die Gesellschaftsgesetze nahezu aller US-Bundesstaaten den Abschluss einer D&O-Versicherung schließlich für zulässig erklärt hatten, kam der D&O-Versicherung Ende der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts mehr und mehr Bedeutung zu. Eine viel beachtete Entscheidung des Delaware Supreme Court zur Direktorenhaftung führte zu der Konsequenz, dass die Versicherungsprämien in die Höhe schnellten, was die D&O-Versicherung in eine tiefe Krise führte. Verschiedene Versicherer strichen in diesen Jahren die D&O-Versicherung gänzlich aus ihrem Angebot. Auf Grund dieser Tatsache änderten verschiedene Staaten die Gesetzeslage und ließen das Recht der Haftungsfreistellung teilweise zu, woraufhin sich dann der D&O-Versicherungsmarkt wieder stabilisierte und – zumindest in den USA – heute als Standardprodukt gilt. Zu Beginn der 90er-Jahre waren in den USA an der New-Yorker-Börse notierte Aktiengesellschaften schon fast zu 100 % mit entsprechendem Versicherungsschutz ausgestattet.
Rz. 3
In Europa hat sich die D&O-Versicherung vor allem über Großbritannien und die Beneluxstaaten ausgedehnt und ebenfalls in den letzten Jahrzehnten zu einem Standardprodukt entwickelt. In Deutschland hatte man lange Zeit überhaupt kein Bedürfnis für eine versicherungsrechtliche Abdeckung der Haftpflichtrisiken von Managern gesehen. Dabei wurde auf die damals bestehenden Unterschiede zwischen US-amerikanischem und deutschem Recht verwiesen. Nach US-amerikanischem Recht besteht schon seit langem die Möglichkeit für Aktionäre, Schadenersatzansprüche direkt gegen die Gesellschaft geltend zu machen. Aber dennoch wurde schon 1971 ein "Zwischenschritt" eingelegt und die sog. Vermögensschaden-Rechtsschutzversicherung für Unternehmensleiter (VRB) entwickelt. Der daraus resultierende Schutz deckte jedoch zunächst nur reine Kosten ab, nämlich dann, wenn ein Unternehmensleiter gerichtlich in Anspruch genommen wurde. Zwei der in den USA und auch weltweit führenden Anbieter von D&O-Versicherungen (die AIG und die CHUBB) waren auch in Deutschland in den 90er Jahren die ersten Anbieter. Erstmals wurde im Jahre 1986 einer amerikanischen Versicherung vom – damals für die Genehmigung von Bedingungen noch zuständigen – Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen in Berlin (BAV), das der "Versicherung unternehmerischer Risiken" zunächst – wie auch die deutsche Versicherungswirtschaft damals – ablehnend gegenüberstand, die (damals noch erforderliche) Erlaubnis erteilt, eine "Manager-Versicherung" zu betreiben. Häufig ins Feld geführte Argumente gegen derartige Versicherungslösungen waren, dass die Geltendmachung von Ansprüchen bedingt durch bestehenden Versicherungsschutz weiter provoziert würde, ein Argument, das von Anfang an wenig überzeugen konnte, ist doch auch die versicherungsrechtliche Absicherung des Berufsrisikos bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Ärzten selbstverständlich und sogar standesrechtlich geboten und führt auch dort nicht zu wachsender Inanspruchnahme. Schließlich wurden die sog. AVBU 86 weiter entwickelt durch die "Allgemeinen Bedingungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organe und leitende Angestellte" (AVB OLA 93).
Rz. 4
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) stellte dann im Jahre 1997 als Musterbedingungen die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern" (AVB-AVG) vor. Die Musterbedingungen, herausgegeben vom GDV im Mai 2005, finden sich in der 3. Auflage dieses Werkes abgedr. im Anhang. Diese Bedingungen wurden vom Gesamtverband mehrfach grundlegend überarbeitet (vor allem zunächst im Hinblick auf Anzeigepflichten, Gefahrerhöhungen und andere Obliegenheiten sowie wegen den Rechtsfolgen bei deren Verletzung). Die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern" (AVB-AVG) des GDV von Januar 2008 sind in der 4. Auflage, die Version von 2011 findet sich in der 5. Auflage. Die aktuelle Version dieser Bedingungen von Mai 2013 ist auf der beiliegenden CD-ROM zu finden.
Zwar hat sich die D&O-Versicherung in Deutschland inzwischen zu einem "Standardprodukt" entwickelt; dennoch hat sich bis heute kein Standardbedingungswerk durchgesetzt, was bei den nachfolgenden Erörterungen jeweils zu berücksichtigen ist. Mit anderen Worten: Es finden sich mittlerweile eine ganze Reihe variierender – und zwar erheblich variierender – Deckungs...