Rz. 176
Die mit der Überschrift umschriebenen Themenkomplexe waren bereits im Modell des GDV von 2005 behandelt (Ziff. 7 bis 9 und 11 Abs. 1 S. 2, vgl. dazu Vor-Vorauflage). Im Regelfall wurden seinerzeit mehr oder weniger die §§ 16 ff. VVG a.F. im Modell von 2005 wiederholt. Schon mit den Modellbedingungen von Mai 2007 hat der Verband die VVG-Reformüberlegungen einfließen lassen und die Ziff. 7 bis 9 und 11 Abs. 1 S. 2 (a.F.) völlig neu gefasst, was auch mit einer numerischen Veränderung verbunden war. Seit Mai 2007 und auch im Modell des GDV von Januar 2008 wurden die vorvertraglichen Anzeigepflichten in Ziff. 7.1 insgesamt geregelt, die Gefahrerhöhung in Ziff. 7.2 und die Obliegenheiten der Versicherungsnehmer in Ziff. 7.3. Zudem wurden die Rechtsfolgen bei der Verletzung von Obliegenheiten umfassend in Ziff. 8 dargestellt.
Daran hat sich – was die Empfehlungen selbst angeht – durch die Modelle 2010, 2011 und 2013 nichts geändert.
I. Vorvertragliche Anzeigepflichten (Ziff. 7.1)
Rz. 177
Die vorvertraglichen Anzeigepflichten schützen den Versicherer bei der Risikobewertung, bevor er sich mit einem (D&O-)Vertrag bindet. Die Materie der D&O-Versicherung an sich, die komplexere Bewertungslage gegenüber anderen Versicherungen, die Schwierigkeiten bei der Erkennung von Lebenssachverhalten in Konzernen, aus denen Pflichtverletzungen entspringen können, alles dies zeigt die besondere Relevanz, aus der ein erheblicher Informationsbedarf für den Versicherer erwächst. D&O-Versicherer übermitteln potentiellen Versicherungsnehmern daher schon seit geraumer Zeit schriftliche Fragebögen, mit denen Umstandswissen abgefragt wird. Das gesetzliche Korrelat zu diesem Informationsbedürfnis ist seit dem 1.1.2008 nunmehr in § 19 VVG geregelt. Die Versicherungsnehmerin hat danach bis zur Abgabe ihrer Vertragserklärung die ihr bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform (vgl. dazu auch § 126b BGB: lesbar aber ggf. unterschriftslos) gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.
1. Adressat der Anzeigepflichten
Rz. 178
Adressat ist nach Ziff. 7.1.1. und § 19 VVG (vgl. auch Ziff. 23 Abs. 1 AHB 2010) zunächst einmal die Versicherungsnehmerin. Diese muss sich aber das Wissen verschiedener Personen zurechnen lassen. Dies gilt – entsprechend den allgemeinen Regeln im Zivilrecht – zunächst für die Kenntnis der Wissensvertreter. Bei der Beantwortung der Fragen muss die Versicherungsnehmerin also uneingeschränkt auf das Wissen der mit der Beantwortung betrauten Mitarbeiter zurückgreifen.
Ferner heißt es jetzt in Ziff. 7.1.1 (Abs. 2) des Modells (seit 2007): Wird der Vertrag von einem Vertreter der Versicherungsnehmerin geschlossen und kennt dieser den gefahrerheblichen Umstand, muss sich die Versicherungsnehmerin so behandeln lassen, als habe sie selbst davon Kenntnis gehabt oder arglistig verschwiegen. Damit sind (als gesetzliche oder vertragliche) Vertreter wohl auch bereits weite Teile der möglichen versicherten Personen erfasst. Lange war fraglich, ob Adressat der Anzeigepflichten auch versicherte Personen sein konnten: Nach der gesetzlichen Regelung ist ausschließlich die Versicherungsnehmerin Adressat der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Dies ergibt sich deutlich aus dem Wortlaut des § 19 VVG, folgt aber auch aus dem Wortlaut der §§ 43 ff. VVG. An keiner Stelle wird in § 47 VVG bestimmt, dass die Versicherten in einer Fremdversicherung neben der Versicherungsnehmerin aus den diese treffenden Anzeigepflichten mitverpflichtet sein könnten. Im Gegenteil: Der Wortlaut des § 47 Abs. 1 VVG stellt "… auch …" auf die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten ab, macht diesen aber nicht – dem Wortlaut nach jedenfalls nicht – zum Adressaten der Anzeigepflicht. Schon die Existenz der Regelungen der §§ 156, 193 Abs. 2 sowie 179 Abs. 3 VVG zeigt, dass auch der Gesetzgeber keineswegs unbedacht den Wortlaut des § 47 VVG – wie getan – gewählt hat. Auch der Zweck der Vorschrift, der darin besteht zu verhindern, dass der Versicherer Nachteile aus der "Rollenaufspaltung" auf Seiten der Versicherungsnehmerin hat, spricht dafür, den Wortlaut ernst zu nehmen und die Regelung nicht extensiv auszulegen. Soweit demzufolge bereits vor dem Inkrafttreten des neuen VVG in der Literatur bisweilen die Auffassung zur Altfassung vertreten wurde, § 79 VVG a.F. (jetzt § 47) bekunde eine eigene vorvertragliche Anzeigepflicht der Versicherten, fand dies – im Gesetz selbst – schon damals keinen haltbaren Ansatz. Aber auch wenn nach der gesetzlichen Regelung ausschließlich die versicherungsnehmende Gesellschaft damit Adressat der vorvertraglichen Anzeigepflicht bleibt, stellt sich die Folgefrage, ob ...