Rz. 48

Der Gesellschafter ist regelmäßig Mitunternehmer der Gesellschaft, weil der Anteil selbst die Mitunternehmerstellung begründet.[87] Er verbleibt auch grundsätzlich dann in seiner Mitunternehmerstellung, wenn auch der Nießbraucher als Mitunternehmer anzusehen ist. Der Nießbraucher wird dann neben dem Gesellschafter Mitunternehmer, wenn er Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.[88] Er trägt zwar nur ein geringeres Mitunternehmerrisiko, da ihm nur der entnahmefähige Gewinnanteil zusteht. Sofern ihm jedoch die Mitwirkungs- und Verwaltungsrechte eines Personengesellschafters, d.h. insbesondere das Stimmrecht in den laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft[89] oder die Kontroll- und Widerspruchsrechte der § 716 BGB, §§ 164, 166 HGB zustehen oder er für die Schulden der Gesellschaft mithaftet, ist er regelmäßig als Mitunternehmer der Gesellschaft anzusehen.[90] Laufende Angelegenheiten umfassen auch außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen und deren Billigung durch die Gesellschafter. Auch die Beschlussfassung über die jährliche Rechnungslegung (was für den Nießbraucher besonders relevant ist) und Gewinnverwendung wird zu den laufenden Angelegenheiten gerechnet.[91] Stimmrechtsvollmachten zugunsten des Nießbrauchers können für die Anerkennung der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters nach der BFH-Rechtsprechung unschädlich sein, wenn der Gesellschafter zumindest grundsätzlich seine Stimmrechte noch ausüben kann und sich nicht im Innenverhältnis dazu verpflichtet, deren Ausübung ausschließlich dem Nießbraucher zu überlassen. Für nähere Ausführungen wird auf das unter Rdn 56 Ausgeführte und auf weiterführende Literatur[92] verwiesen.

 

Praxishinweis

Der BFH hat 2017 entschieden, dass die Buchwertfortführung i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG zu versagen ist, wenn ein Einzelunternehmen unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen wird. Der BFH stützt dies darauf, dass eine solche Zuwendung des Einzelunternehmens nicht unter § 6 Abs. 3 EStG fallen kann. Entscheidend war für den X. Senat, dass § 6 Abs. 3 EStG ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit enthalte, das beim Vorbehaltsnießbrauch am Einzelunternehmen nicht erfüllt sei, da der Übergeber weiterhin als Nießbraucher unternehmerisch tätig sei.[93] Das BFH-Urteil wird in der Literatur stark kritisiert.[94] Aktuell ist ein weiteres Verfahren bezüglich dieser Thematik beim BFH anhängig.[95] Die Finanzverwaltung hat in dem BMF-Schreiben vom 20.11.2019 ausgeführt, dass der Nießbrauchsvorbehalt an Mitunternehmeranteilen für die Buchwertfortführung des § 6 Abs. 3 EStG hingegen unschädlich ist.[96]

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können bei einer Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Nießbrauchsvorbehalt sowohl der Erwerber als auch der Nießbraucher, soweit eine entsprechende Ausgestaltung vorliegt, nebeneinander Mitunternehmer werden (doppelte Mitunternehmerstellung). In der jüngeren BFH-Rechtsprechung wurde diese doppelte Mitunternehmerstellung nun verneint, der BFH scheint nunmehr generell die Auffassung zu vertreten, dass es eine horizontale Spaltung der Mitunternehmerstellung bei Gesellschaftsanteilen nicht geben kann.[97] Die Finanzverwaltung hat sich hierzu bisher noch nicht abschließend geäußert. Aufgrund dieser neuen abweichenden Rechtsauffassung besteht hinsichtlich der Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers eine große Rechtsunsicherheit. Für weitere Ausführungen wird auf weiterführende Literatur verwiesen.[98]

In der Praxis sollte aufgrund der Rechtsunsicherheit die Mitunternehmerstellung mit einer verbindlichen Auskunft vor der Übertragung abgesichert werden. Dem Vernehmen nach werden von der Finanzverwaltung solche verbindlichen Auskünfte jedoch nur zurückhaltend erteilt.

 

Rz. 49

Die Mitunternehmerstellung des Gesellschafters wird allerdings von der Rechtsprechung in den Fällen verneint, in denen der Gesellschafter auch im Hinblick auf grundsätzliche Angelegenheiten der Gesellschaft zugunsten des Nießbrauchers auf sein Stimmrecht verzichtet oder wenn er dem Nießbraucher eine vollumfängliche Stimmrechtsvollmacht erteilt hat.[99] Insofern ist es ratsam, eine (klarstellende) Regelung zwischen dem Nießbraucher und Gesellschafter über die Kontrollrechte, Stimmrechte und der Teilnahmeberechtigung an der Gesellschafterversammlung zu treffen.[100]

[88] Söffing/Jordan, BB 2004, 353.
[89] FG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.5.2006 – 5 K5670/92, DStRE 2007, 688; Korn/Carlé, KÖSDI 2009/16526, 16527.
[90] Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rn 306.
[91] MüKo/Schäfer, § 705 Rn 102.
[92] Steger/Schuhbaur, WPg 2020, 1137; Möller, GWR 2020,145.
[94] U.a. bei: Altendorf, GmbHStB 2018, 256; Kepper, NZG 2019, 211.

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