Rz. 23
Von den gesetzlichen Regelungen können die Parteien abweichen, soweit nicht von Bestimmungen abgewichen wird, die das Wesen des Nießbrauchs bilden. Um dem Nießbraucher den unternehmerischen Einfluss zu sichern, bestehen im Wesentlichen drei Möglichkeiten:
1. |
Übertragung von sämtlichen Stimmrechten auf den Nießbraucher |
2. |
Aufspaltung der Stimmrechte zwischen Nießbraucher und Gesellschafter |
3. |
Gemeinschaftliche Berechtigung von Nießbraucher und Gesellschafter. |
Umgesetzt werden können diese drei Möglichkeiten durch
▪ |
dinglich wirkende Vereinbarung über die abweichende Inhaltsbestimmung des Nießbrauchs in der Form, dass das Stimmrecht ganz oder teilweise dem Nießbraucher zusteht oder |
▪ |
Feststellung des Stimmrechts des Gesellschafters und Einräumung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht für den Nießbraucher; |
▪ |
Feststellung des Stimmrechts des Gesellschafters und Beschränkung der Stimmrechtsausübung im Innenverhältnis zwischen Nießbraucher und Gesellschafter. |
(1) Abweichende Inhaltsbestimmung
Rz. 24
Im ersten Fall wirkt die Inhaltsänderung dinglich, so dass die abweichende Stimmrechtsregelung Inhalt des Nießbrauchs wird. Hier bleibt zu beachten, dass sowohl das Sachenrecht als auch das Gesellschaftsrecht der vertraglichen Ausgestaltung Grenzen setzen: Das Stimmrecht kann nur für Angelegenheiten, die die Nutzungen betreffen, übertragen werden. Auch der Kernbereich der Mitgliedschaft darf nicht angetastet werden, so dass Informations- und Anfechtungsrechte ebenso wie die Änderung des Gesellschaftsvertrages, die Umwandlung und Auflösung stets dem Gesellschafter obliegen. Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, sollte im Vertrag genau geregelt werden, in welchen Fällen dem Nießbraucher das Stimmrecht übertragen wird.
Die Inhaltsänderung wirkt auch gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber der Gesellschaft, so dass auch der Nießbraucher zur Gesellschafterversammlung zu laden ist. Wegen des Gleichlaufs von Haftung und Herrschaft wird in diesem Fall teilweise auch die Haftung des Nießbrauchers bejaht (siehe hierzu Rdn 35).
Rz. 25
Die dingliche Inhaltsänderung wird als zulässig angesehen, wenn die anderen Gesellschafter ihr zugestimmt haben oder sie in der Satzung vorgesehen ist. Das gesellschaftsrechtliche Abspaltungsverbot steht einer Stimmrechtsübertragung nicht entgegen, da die Mitgliedschaft nicht in unabhängige Teilrechte aufgespalten wird, sondern Nießbraucher und Gesellschafter dennoch eine dingliche Rechtsgemeinschaft bilden, so dass beide am gleichen Anteil mitberechtigt sind.
(2) Vollmachtslösung
Rz. 26
Alternativ wird die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht als unbedenklich angesehen, soweit sie nicht unwiderruflich ausgestaltet wird. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vollmacht nicht verdrängend wirkt, d.h. der Gesellschafter trotz erteilter Vollmacht in der Lage ist, die Stimmrechte selbst auszuüben. Bei sich widersprechender Stimmabgabe geht die Stimme des Gesellschafters daher vor.
Die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht setzt voraus, dass die Gesellschafter ihr zugestimmt haben oder sie in der Satzung vorgesehen ist.
Praxishinweis
In Anbetracht der bestehenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich des gesetzlichen Inhalts des Nießbrauchs sollten detaillierte Regelungen über das Stimmrecht und die sonstigen Mitverwaltungsrechte vereinbart werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen in Anspruch genommen werden sollen, da der reine Ertragsnießbrauch nach den §§ 13a bis 13c ErbStG nicht begünstigt ist. Dabei ist zunächst klar zu regeln, ob eine Inhaltsänderung oder die Erteilung einer Vollmacht gewählt wird.
Da auch im Rahmen der Inhaltsänderung nicht restlos alle Fragen geklärt sind, empfiehlt sich in der Praxis ggf. ergänzend eine (Auffang-)Vollmacht zu vereinbaren.