Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
Rz. 7
Die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen war nicht unvorhersehbar. Bereits das Reichsgericht hatte sich mit der Frage befasst, ob der Bankier eine Emissionsbonifikation für sich behalten darf. Es widersprach, nach zutreffender Auffassung des Reichsgerichts dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass der Bankier gegenläufige Interessen wahrnimmt und zudem seinem Kunden verschweigt, dass er für den Vertrieb eine Bonifikation erhält.
Die beratende Bank ist, anders als unabhängige und nicht bankmäßig gebundene Anlageberater, verpflichtet, ihren Kunden über Rückvergütungen – sog. "kick-backs" – vor der Zeichnung des konkreten Anlageprodukts aufzuklären. Spätestens seit der BGH-Entscheidung vom 20.1.2009 steht auch fest, dass die sog. "kick-back"-Rechtsprechung auch auf geschlossene Fonds und sonstige Produkte außerhalb des Anwendungsbereichs des WpHG anzuwenden ist.
Die Pflicht zur Aufklärung über solche Rückvergütungen setzt grds. einen Anlageberatungsvertrag zwischen einer Bank und einem Anleger voraus. Unerheblich ist für die Aufklärungspflicht, ob der Anleger bereits Kunde bei der Bank ist oder nicht. Anders jedoch bei einem unabhängigen, nicht bankmäßig gebundenen, freien Anlageberater, der für seine Tätigkeit von dem Anleger nicht entlohnt wird. Letzterer muss grds. nicht ungefragt seinen Kunden darauf hinweisen, dass er eine Rückvergütung/Provision, also einen geldwerten Vorteil, bspw. von der Fondsgesellschaft/dem Emittenten erhält.
Ist die Beratungsgesellschaft eine 100 %ige Tochtergesellschaft einer Bank, so entbindet dies die Beratungsgesellschaft von der Offenlegung der an sie gezahlten Rückvergütungen/Provisionen. Die beratende und emittierende Bank hat jedoch ungefragt über die ihr durch den Abschluss des Geschäfts zustehenden Rückvergütungen aufzuklären.
Zu der Frage, wie Rückvergütungen i.S.d. BGH-Rechtsprechung zu definieren sind, wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass aufklärungspflichtige Rückvergütungen allein Zahlungen an die Bank aus Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren, die hinter dem Rücken des Anlegers an die Bank zurückgezahlt werden, seien. Diese Auffassung wurde verstärkt nach dem Senatsurteil des BGH vom 27.9.2010 vertreten. Mit Beschl. v. 9.3.2011 und 19.7.2011 stellte der XI. Zivilsenat des BGH jedoch ausdrücklich klar, dass die im Urt. v. 27.9.2010 verwendete Formulierung lediglich beispielhaft und nicht abschließend war, was unter Berücksichtigung des mit der Offenlegung verfolgten Zwecks auch denklogisch ist.
Die beratende Bank ist zur Offenlegung der Rückvergütungen verpflichtet, damit der Kunde Kenntnis von dem Interesse der Bank an dem Geschäft hat. Die fehlende Neutralität der Beratung soll dem Anleger bekannt sein, damit er selbst entscheiden kann, ob ihm die angebotene Kapitalanlage nur von der Bank angeboten wird, weil sie an diesem Geschäft verdient. Um das Interesse beurteilen zu können, bedarf es zudem der Mitteilung der Höhe der Rückvergütung und zwar unabhängig von dieser. Der Offenlegung des Interessenkonflikts bedarf es also nicht erst ab einer Provisionshöhe von 15 %. Anders hingegen bei sog. Innenprovisionen. Über Innenprovisionen ist der Anleger erst ab einer Höhe von 15 % von seinem Berater aufzuklären.
Die Rechtsprechung zu den Innenprovisionen betrifft (jedoch) nicht den Interessenkonflikt des Beraters, sondern die Frage, ob durch die Zahlung solcher die Werthaltigkeit und Rentabilität des Anlagemodells geschmälert wird, so dass es sich bei Rückvergütungen einerseits und Innenprovisionen anderseits um zwei unterschiedliche Aufklärungspflichten und ebenso unterschiedliche dogmatische Ansätze handelt. Die Aufklärungspflicht über den Interessenkonflikt besteht unabhängig von der Höhe und den Zahlungsflüssen. Ausreichend für die Annahme einer Pflichtverletzung ist, dass dem Anleger zum Zeichnungszeitpunkt nicht bekannt war, dass und in welcher Höhe das beratende Institut eine umsatzabhängige Rückvergütung von einer dritten Person gezahlt bekommt.
Der Mitteilungspflicht der Rückvergütung sowie deren Höhe ergibt sich für den Anlageberater einer Bank zudem aus dem zwischen ihm und dem Anleger geschlossenen Beratungsvertrag, §§ 675, 666, 667 BGB, der als Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichen Elementen zu qualifizieren ist. Die Offenlegungspflicht stellt eine notwendig Informationspflicht des Auftragnehmers dar, damit sein Auftraggeber die Herausgabe dessen verlangen kann, was der Auftragnehmer aufgrund der Geschäftsbesorgung erlangte. Hat der Anleger bspw. Kenntnis davon, dass die Bank bei Wertpapierhandelsgeschäften eine Vergütung erhält, entbindet dies die Bank von der Aufklärungspflicht über die an sie gezahlten Rückvergütungen bei geschlossenen Fonds nicht.
Die beratende Bank muss auch die an sie von der Versicherungsgesellschaft gezahlte Vermittlungsprovision, die sie für die Vermittlung einer Lebensversicherung erhält, offenlegen.
Bei freien Anlageberatern ist die...