Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
Rz. 21
Das WpHG wurde zunächst durch die Umsetzung der MiFID I durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz nicht nur punktuell geändert, sondern es wurde auch regelungstechnisch neu gefasst. Unter der Regelung des § 31 WpHG wurde zwischen verschiedenen Wertpapierdienstleistungen sowie Vertriebsformen und zum anderen nach der Geschäftserfahrenheit des Kunden unterschieden. Mit der Umsetzung der MiFID II durch das 2. FiMaNoG wurde das bis dahin geltende WpHG um zahlreiche Regelungen ergänzt.
1. Art der Wertpapierdienstleistung
Rz. 22
Es ist zwischen beratenden und beratungslosen Wertpapierdienstleistungen zu unterscheiden, wobei diese in drei verschiedenen Geschäftstypen zu untergliedern sind.
§ 63 WpHG regelt die Allgemeinen Verhaltensregeln von Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Nach § 63 Abs. 1 WpHG sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, sowohl Wertpapierdienstleistungen als auch Wertpapiernebendienstleistungen ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Kundeninteresse zu erbringen. Die neu gefasste Vorschrift des § 63 WpHG übernimmt zahlreiche Verhaltensregeln der Vorgängervorschrift (§ 31 WpHG a.F.). § 63 Abs. 2 WpHG gibt den Wertpapierdienstleistungsunternehmen u.a. auf, vor der Durchführung eines Geschäfts für den Kunden über Art und Herkunft von Interessenkonflikten und die Maßnahmen der Begrenzung dieser sowie die daraus für den Kunden resultierenden Risiken zu informieren. Abs. 3 WpHG stellt klar, dass eine Vergütung mit den Pflichten des Unternehmens nicht kollidieren darf. Durch die Vergütung dürfen keine Anreize geschaffen werden, dem Kunden ein Produkt zu empfehlen, das weniger seinen Bedürfnissen entspricht.
Der neu geschaffene § 64 WpHG ergänzt die Verhaltenspflichten des § 63 WpHG und statuiert besondere Verhaltenspflichten für die Anlageberatung sowie die Finanzportfolioverwaltung.
§ 64 Abs. 2 WpHG gibt dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Ergänzung des § 63 Abs. 7 WpHG auf, vor der Anlageberatung u.a. darüber zu informieren, ob die Anlageberatung unabhängig (unabhängige Honorar-Anlageberatung) erfolgt oder nicht.
Sowohl die Anlageberatung als auch die Finanzportfolioverwaltung bedarf einer umfangreichen Erkundigung über den Kunden und wird als beratende Dienstleistung klassifiziert.
Zunächst hat das beratende Unternehmen den Kunden zu seinen Erfahrungen und Kenntnissen im potentiellen Anlagebereich, den Anlagezielen und den finanziellen Verhältnissen zu befragen. Für die Anlageberatung ergibt sich die Erkundigungspflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens aus § 64 Abs. 3 WpHG i.V.m. der sog. Delegierten Verordnung v. 25.4.2016 (EU) 2017/565, für die Finanzportfolioverwaltung aus § 64 Abs. 9 i.V.m. Abs. 3 WpHG. Vor der Erbringung von anderen Wertpapierdienstleistungen als der Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung ergeben sich die Erkundigungspflichten aus § 63 Abs. 10 WpHG. Die gesamten Informationen bilden sodann die Grundlage für den Geeignetheitstest, den das Wertpapierdienstleistungsunternehmen durchzuführen hat. Der Sachverstand des Kunden, seine Anlageziele und die finanziellen Verhältnisse des Kunden sind Bestandteil des Angemessenheitstests, so dass von einem Gleichlauf zwischen der Erkundigungspflicht und dem Geeignetheitstest gesprochen werden kann. Ob das Geschäft angemessen ist, beurteilt sich maßgeblich an der konkreten Anlage, wobei die finanziellen Verhältnisse, die Anlageziele des Kunden und sein Sachverstand zu berücksichtigen sind.
Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf, sofern es die erforderlichen Informationen nicht vorliegen hat, weder eine Anlage empfehlen noch eine Empfehlung im Rahmen des Portfolio-Management abgeben.
Rz. 23
Bei anderen (wertpapierbezogenen) Dienstleistungen, also denen, die vordergründig den beratungslosen Diensten zuzuordnen sind, ist die erforderliche Erkundigungspflicht im Vergleich zur Anlageberatung und Portfolioverwaltung geringer. Insoweit beschränken sich die Erkundigungspflichten auf die bisherigen Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden bezüglich der geschäftsbezogenen Anlage. Das dienstleistungserbringende Unternehmen muss bei seiner Tätigkeit weder die Anlageziele noch die finanziellen Verhältnisse des Kunden berücksichtigen. Es muss jedoch eine sog. Angemessenheitsprüfung durchführen. Bei dieser handelt es sich um eine kundenspezifische Prüfung, so dass die bisherigen Erfahrungen und Kenntnisse des Kunden in Bezug auf die konkrete Anlage überprüft werden müssen. Auch hier besteht wieder eine Parallele zwischen dem Inhalt der Erkundigungspflicht und dem Inhalt des durchzuführenden Angemessenheitstests. Sollte das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu dem Ergebnis gelangen, dass die konkrete Anlage für den Kunden ungeeignet ist, so muss es ihn vor dieser warnen, § 63 Abs. 10 WpHG.
Kann eine Angemessenheitsprüfung wegen fehlender Informationen nicht durchgeführt werden, so hat das Dienstleistungsunternehmen den Kunden darauf hinzuweisen, dass die vorgenannte Prüfung nicht durch...