Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 30
Bei der Ermittlung der Bezugsberechtigung ist zunächst zu prüfen, ob diese widerruflich oder unwiderruflich festgelegt wurde. Den Regelfall bildet nach wie vor die widerrufliche Bezugsberechtigung, die dem Begünstigten nicht mehr als eine bloße Aussicht gibt. Sie erstarkt erst nach dem Tod der versicherten Person zum Vollrecht. Anders liegt der Fall bei der ausdrücklich als unwiderruflich bezeichneten Bezugsberechtigung. Nach § 159 Abs. 3 VVG ist damit der sofortige Erwerb eines vererblichen (!) Anwartschaftsrechts verbunden.
Diese Unterscheidung kann u.a. dann von Bedeutung sein, wenn der Versicherungsnehmer überschuldet stirbt und über seinen Nachlass die Insolvenz beantragt wird. Gem. § 134 Abs. 1 InsO sind unentgeltliche Leistungen bis zu vier Jahren vor Insolvenzantrag anfechtbar. Leistungen aus einem widerruflich eingeräumten Bezugsrecht können daher vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden. Insolvenzfest sind demnach nur frühzeitig unwiderruflich eingeräumte Bezugsrechte.
a) Zugehörigkeit zum Nachlass
Rz. 31
Die Bestimmung der Bezugsberechtigung gehört gem. § 159 VVG zu den Gestaltungsrechten des Versicherungsnehmers. Ihm steht es grundsätzlich frei, von der Benennung eines Bezugsberechtigten abzusehen. Dann fällt der Anspruch aus der Versicherungsleistung in den Nachlass.
Rz. 32
Daneben gibt es noch drei weitere Konstellationen, in denen die Versicherungsleistung dem Nachlass zugerechnet wird:
(1) Hat der Erblasser als Versicherungsnehmer eine Lebensversicherung auf sein Leben abgeschlossen, die er zur Kreditsicherung an den Darlehensgeber abgetreten hat, gilt Folgendes: Im Todesfall wird durch die Tilgung des Darlehens der Nachlass gemehrt. Der BGH argumentiert, dass es aus Sicht eines Pflichtteilsberechtigten unangemessen wäre, die Darlehensforderung als Verbindlichkeit einzustellen, ohne dass die den Kredit mindernde Lebensversicherungssumme als Aktivposten behandelt würde.
(2) Es wird zuweilen übersehen, dass nur der Tod der versicherten Person, nicht aber der Tod des Versicherungsnehmers einen Zahlungsanspruch auslöst. Stirbt der Versicherungsnehmer vor der versicherten Person und ist kein Bezugsberechtigter benannt, fällt das Anwartschaftsrecht in den Nachlass.
(3) Schließlich führt der Fall des fehlerhaften bzw. fehlenden Valutaverhältnisses dazu, dass der formal bezugsberechtigte Dritte seinen Anspruch gegen die Versicherung ohne Rechtsgrund erlangt, so dass die Erben einen Kondiktionsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB haben. Vgl. Rdn 70 ff.
b) Vom Versicherungsnehmer bestimmte Bezugsberechtigung
Rz. 33
Gemäß den ALB hat der Versicherungsnehmer das Recht, der Versicherung einen Bezugsberechtigten zu nennen. Er kann die Bezugsberechtigung mit oder ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt haben. Ein nur mit dem Bezugsberechtigten vereinbarter Ausschluss des Widerrufs hat nur schuldrechtliche Wirkung und lässt das Rechtsverhältnis zur Versicherung unberührt.
Rz. 34
In der Praxis ist daher immer zu klären, ob eine nachträgliche Änderung der Bezugsberechtigung überhaupt möglich war. Der Widerruf muss gegenüber der Versicherung erklärt werden, vgl. § 9 Abs. 4 ALB 2021. Dies ist eine zulässige Abweichung von § 332 BGB, so dass ein Widerruf der Bezugsberechtigung in einer Verfügung von Todes wegen mangels Zugang unwirksam ist. Auch ist zu beachten, dass die Bestimmung der Bezugsberechtigung kein höchstpersönliches Recht ist, sondern auch gepfändet und abgetreten werden kann.
Rz. 35
Die Bestimmung des Bezugsrechts durch den Versicherungsnehmers ist eine einseitige Willenserklärung, für die gem. §§ 133, 157 BGB gilt, dass der wirkliche Wille unter Ermittlung aller bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandener Umstände zu ermitteln ist.
Rz. 36
Folgende Einzelfälle der Bezugsberechtigung werfen regelmäßig Fragen auf:
Rz. 37
Sind "die Erben" als Bezugsberechtigte benannt, könnte man zunächst annehmen, dass damit die Versicherungssumme in den Nachlass fällt. § 160 Abs. 2 VVG stellt aber klar, dass dies nicht der Fall ist. Außerdem bestimmt diese Auslegungsregel, dass im Zweifel diejenigen, welche zur Zeit des Todes als Erben berufen sind, nach dem Verhältnis ihrer Erbteile bezugsberechtigt sind.
Ist "der Erbe gem. Testament" benannt, hängt die Berechtigung nicht von der wirksamen Erbeinsetzung ab, sondern bezeichnet nur die Person des Begünstigten.
Rz. 38
Hinweis
Es kann vorkommen, dass die Erbschaft überschuldet ist und nur die Lebensversicherung den Erben Geld bringt. In dieser Situation ist den Erben dringend zu raten, die Erbschaft auszuschlagen, weil dies auf die Bezugsberechtigung ohne Einfluss ist, dies stellt § 160 Abs. 2 S. 2 VVG ausdrücklich klar.
Rz. 39
Wird "die Ehefrau" als Bezugsberechtigte benannt, ist damit aus Sicht des Versicherers die im Zeitpunkt der Benennung (meist beim Abschluss des Vertrages) mit dem Versicherungsnehmer verheiratete Frau gemeint. Ausnahmsweise kommt eine zweite Ehefrau als Begünstigte nur in Betracht, wenn die erste Ehefrau vers...