Dr. Burkhard Göpfert, Maximilian Melles
Rz. 56
Das BetrVG (BetrVG 1972) bestimmt, dass in Unternehmen mit mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist (§ 106 BetrVG).
Rz. 57
Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses werden vom Betriebsrat bzw. vom Gesamtbetriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit bestellt und können von ihm auch jederzeit wieder abberufen werden (§ 107 Abs. 2 BetrVG). Der Wirtschaftsausschuss ist rechtlich unselbstständig und hat keine eigenen Entscheidungsbefugnisse. Bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Wirtschaftsausschusses kann dieser seine Rechte nicht selbst wahrnehmen und durchsetzen. Nach § 109 Satz 1 BetrVG obliegt dem Betriebsrat die Wahrnehmungszuständigkeit. Im Anschluss an die Beratung der wirtschaftlichen Angelegenheiten mit dem Unternehmer hat er den Betriebsrat von dem Ergebnis seiner Verhandlungen unverzüglich und vollständig zu unterrichten (§§ 106 Abs. 1 Satz 2, 108 Abs. 4 BetrVG). Der Betriebsrat kann dem Wirtschaftsausschuss schließlich seine Aufgaben entziehen und diese ausweislich § 107 Abs. 3 BetrVG auf einen Betriebsausschuss übertragen.
Rz. 58
Der Wirtschaftsausschuss ist also ein "Hilfsorgan" des Betriebsrates. Er ist der Sache nach ein Ausschuss des Betriebsrates, dessen Mitglieder besondere fachliche und persönliche Eignung in Wirtschaftsfragen haben sollen, vgl. § 107 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. In wirtschaftlichen Angelegenheiten ist er darüber hinaus ein Bindeglied zwischen Unternehmer und Betriebsrat mit dem Ziel, die wirtschaftliche Unternehmenspolitik mitzugestalten und wirtschaftliche Entscheidungen des Unternehmers beratend mit vorzubereiten.
Rz. 59
Da der Wirtschaftsausschuss die wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens nur dann mit vorbereiten und auf sie Einfluss nehmen kann, wenn er über die gleichen Informationen wie der Unternehmer verfügt, müssen die ihm ggü. abgegebenen Informationen umfassend, glaubwürdig und verständlich sein. Aufgrund der Informationen des Unternehmens soll er zu sachgemäßer Beratung und zu Abgabe eigener Vorschläge in der Lage sein und auch von sich aus Anregungen zu Alternativen geben können.
Zeitlich ist der Wirtschaftsausschuss daher einzuschalten, bevor das Unternehmen konkrete Pläne entworfen und bevor die Unterrichtung und Beratung mit dem Betriebsrat eingesetzt hat. Nur auf diese Weise können die einzelnen Betriebsräte erkennen, ob und in welchem Umfang sich die beabsichtigte Maßnahme betrieblich auswirkt und ggf. ein Mitbestimmungsrecht auf Betriebsebene auslöst.
Die wichtigsten wirtschaftlichen Angelegenheiten, auf die sich die Rechte des Wirtschaftsausschusses beziehen, werden in § 106 Abs. 3 Nr. 1–Nr. 10 BetrVG beispielhaft aufgezählt. Dieser Katalog wurde beispielsweise durch das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken erweitert, sodass sich nun gem. § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG ausdrücklich auch bei Unternehmensübernahmen, die mit dem Erwerb der Kontrolle verbunden sind, Informationspflichten ggü. dem Wirtschaftsausschuss (und bei dessen Fehlen ggü. dem Betriebsrat, § 109a BetrVG) ergeben. Zu den erforderlichen Informationen gehören insb. Angaben über den potenziellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die zukünftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die Auswirkungen, die sich hieraus auf die Arbeitnehmer ergeben.
Mit Gesetz vom 16.7.2021 wurde mit Wirkung zum 1.1.2023 Abs. 3 Nr. 5b in § 106 Abs. 3 BetrVG ("Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz") in den Katalog der wirtschaftlichen Angelegenheiten ergänzt. Noch recht unklar ist die Reichweite der Informationspflicht bzw. des entsprechenden Fragerechts des Wirtschaftsausschusses.
1. Unternehmens- oder betriebsbezogene Unterrichtung?
Rz. 60
Die Frage, ob das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss ausschließlich über unternehmensbezogene wirtschaftliche Angelegenheiten unterrichten muss oder ob sich die Unterrichtungspflicht auch auf betriebsbezogene Daten bezieht, kann nicht abstrakt beantwortet werden. Ihre Beantwortung richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Fest steht lediglich, dass die Unterrichtungspflicht nicht ausnahmslos unternehmensbezogen ist und dass sie sich im Gegensatz dazu auch nicht stets auf alle betriebsbezogenen Daten bezieht.
Nach § 106 Abs. 2 BetrVG hat der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss über die "wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens" zu unterrichten. Da das BetrVG in §106 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG ausdrücklich zwischen den Begriffen "Betrieb" und "Unternehmen" differenziert, könnte man sich auf den Standpunkt stellen, der Gesetzgeber habe a...