Dr. Burkhard Göpfert, Maximilian Melles
1. Anwendungsbereich des KSchG
Rz. 9
Die Bestimmungen der §§ 1 ff. KSchG gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Rechts (§ 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG), sofern diese mehr als zehn (10,0) Arbeitnehmer beschäftigen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG). Das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers muss zudem länger als 6 Monate bestanden haben (§ 1 Abs. 1 KSchG).
2. Wegfall des Beschäftigungsbedarfs
Rz. 10
Eine Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG u.a. sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Nach ständiger Rspr. des BAG können sich dringende betriebliche Erfordernisse aus außerbetrieblichen Gründen (bspw. Auftragsmangel) oder innerbetrieblichen Umständen ergeben.
Rz. 11
Als innerbetriebliche Gründe kommen insb. sog. Unternehmerentscheidungen in Betracht, die zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führen. Die Unternehmerentscheidung unterliegt nach ständiger Rspr. des BAG nur einer eingeschränkten Missbrauchskontrolle. Sie ist nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Offenbar unsachlich können Unternehmerentscheidungen nach der Rspr. bspw. dann sein, wenn sie gegen Gesetze oder Verträge verstoßen oder nur unter Verstoß gegen Gesetze oder Tarifrecht umgesetzt werden können.
Eine missbräuchliche Unternehmerentscheidung kann bspw. dann vorliegen, wenn sie lediglich dem Zweck dient, sich von missliebig gewordenen Arbeitnehmern zu trennen.
Rz. 12
Unternehmerische Entscheidungen des Arbeitgebers sind also von den Arbeitsgerichten im Grundsatz hinzunehmen. Sie haben lediglich zu prüfen, ob die behauptete Unternehmerentscheidung tatsächlich getroffen und umgesetzt wurde und ob sie zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten geführt hat.
Rz. 13
Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte, bisher durch eigene Arbeitnehmer durchgeführte Arbeiten zur selbstständigen Durchführung an ein anderes Unternehmen zu vergeben, ist nach ständiger Rspr. eine die Arbeitsgerichte grds. bindende Unternehmerentscheidung.
Hinweis
Allerdings wird von den Instanzgerichten teilweise i.R.d. gebotenen Plausibilitätskontrolle gefordert, dass die erwarteten Kosteneinsparungen aufgrund einer betriebswirtschaftlich fundierten Prognose dargelegt werden können.
Rz. 14
Das BAG hat entschieden, dass eine missbräuchliche und damit kündigungsrechtlich unbeachtliche Unternehmerentscheidung bei der konzerninternen Verlagerung von Tätigkeiten in eine abhängige Tochtergesellschaft vorliegen kann. In der zitierten Entscheidung bestätigt das BAG zunächst den Grundsatz, dass unternehmerische Entscheidungen des Arbeitgebers nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen sind. Es betont, dass es zur verfassungsrechtlich garantierten unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers gehört, festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Subunternehmer vergeben werden sollen. I.R.d. gebotenen Missbrauchskontrolle sei die unternehmerische Entscheidung jedoch daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
3. Keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten
Rz. 15
Fällt die bisherige Einsatzmöglichkeit eines Arbeitnehmers weg, so ist eine betriebsbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn dem Arbeitgeber eine andere Beschäftigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
a) Freie Arbeitsplätze im Unternehmen bzw. im selben Verwaltungszweig
Rz. 16
Als anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten, die den Arbeitnehmern zur Vermeidung einer Kündigung angeboten werden müssen, kommen grds. nur freie Arbeitsplätze in demselben Unternehmen in Betracht. Demnach wäre eine betriebsbedingte Kündigung ggü. einem Arbeitnehmer nicht sozial gerechtfertigt, wenn im Unternehmen ein freier Arbeitsplatz vorhanden wäre, auf dem der betreffende Arbeitnehmer in zumutbarer Weise weiterbeschäftigt werden könnte. Der Arbeitgeber muss also prüfen, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen freien Arbeitsplatz, ggf. auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen, in Betracht kommt. Ist dies der Fall, ist der Arbeitnehmer dorthin zu versetzen, wenn die Tätigkeit an dem anderen Arbeitsplatz aufgrund des Arbeitsvertrags vom Versetzungsrecht des Arbeitgebers erfasst wird. Andernfalls ist dem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung auszusprechen.
Rz. 17
Die Rspr. des BAG begründet an dieser Stelle eine zusätzliche Erschwernis für die Wirksamkeit der Kündigung. Das BAG geht davon aus, dass der Arbeitnehmer selbst entscheiden muss, ob er Einbußen und Nachteile akzeptiert, die mit einer neuen Stelle verbunden sind. Dem Arbeitnehmer sind demnach nicht nur Arbeitsplätze anzubieten, für die e...