Rz. 2
Die Nötigung ist gekennzeichnet durch den rechtswidrigen Einsatz von Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel, durch die ein bestimmtes Verhalten des Opfers – das Nötigungsziel (Handlung, Duldung oder Unterlassung) – erreicht werden soll und auch erreicht wird (Nötigungserfolg).
I. Empfindliches Übel
Rz. 3
Nötigung mit einem empfindlichen Übel ist dabei im Bereich des Verkehrsstrafrechts weitgehend ohne Bedeutung.
II. Gewalt
Rz. 4
Gewalt im Straßenverkehr kommt hingegen – wie eingangs ausgeführt – schon häufiger vor.
Gewalt liegt immer dann vor, wenn die Eigendynamik und die Gefährlichkeit eines in Bewegung befindlichen Fahrzeuges eingesetzt werden, um fremden Willen zu bestimmen. Nötigung in Form von Gewalt im Straßenverkehr ist dann anzunehmen, wenn eine Fahrweise feststellbar ist, die geeignet ist, den anderen Verkehrsteilnehmern als durchschnittlichen Kraftfahrer in Furcht und Schrecken zu versetzen, um durch die Herbeiführung eines gefährlichen Zustands eine Zwangswirkung auf diesen auszuüben und diesen damit zu ungewollten Reaktionen, möglicherweise zu gefährlichem Ausweichen oder zur Herbeiführung einer anderen unfallträchtigen Situation zu veranlassen. Die Behinderungen oder Gefährdungen, z.B. Einsatz von Lichthupe und Signalhorn oder der Abstand der Fahrzeuge zueinander, müssen also von einigem Gewicht sein, um die Bagatellgrenze zu überschreiten.
Rz. 5
Hauptfall in der Anwendungspraxis des § 240 StGB ist das dichte Auffahren. Hier sind die Umstände des Einzelfalls von entscheidender Bedeutung. Dabei kommt es namentlich auf die gefahrenen Geschwindigkeiten, die Abstände der Fahrzeuge zueinander sowie die Dauer bzw. die Streckenlänge des angeblich bedrängenden Auffahrens an.
Rz. 6
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann von einer Nötigung im Straßenverkehr ausgegangen werden, wenn bei hohen Geschwindigkeiten über mehrere Kilometer sehr dicht auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren wird. Erforderlich ist (insbesondere für die Verwirklichung des Merkmals der Verwerflichkeit), dass sich das Handeln massiv ohne vernünftigen Grund darstellt, etwa bei Schikane, Mutwillen, Erziehungsabsicht oder beharrlicher Reglementierung aus Ärger oder eigensüchtigen Motiven. Auch im innerstädtischen Verkehr ist dann eine Nötigung möglich.
III. Intensität
Rz. 7
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal "Intensität" erfordert ein Zeitmoment und ist deshalb nur erfüllt, wenn der Vorgang eine gewisse Zeit andauert. Nur dann kann der durchschnittliche Kraftfahrer in Furcht und Schrecken versetzt werden. In der Rechtsprechung wird zum Teil auch die Auffassung vertreten, dass schon alleine das bedrängende Auffahren, also die extreme Verkürzung des Abstands zur Bejahung des Gewaltbegriffs gem. § 240 StGB ausreicht. Richtigerweise kann die Verkürzung des Abstands alleine nicht ausreichen. Vielmehr sind mit der Rechtsprechung für die Annahme von Gewalt eine gewisse Intensität und Dauer des gefährlichen Täterverhaltens zu fordern.