Rz. 97
Da der Gerichtsstand der Widerklage nicht ausschließlich ist, kann eine anderweitige örtliche Zuständigkeit durch rügeloses Verhandeln begründet werden (§ 39 S. 1 ZPO). Ebenso sind abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen zulässig, die eine Erhebung der Widerklage beim Gericht der (Haupt-)Klage unzulässig machen können (§ 38 ZPO). Dabei kann die Derogation des Gerichtsstandes der Widerklage auch schon in der positiven Vereinbarung einer anderen örtlichen Zuständigkeit liegen, sofern sich daraus – im Wege der Auslegung – ergibt, dass damit alle anderen Gerichtsstände einschließlich desjenigen der Widerklage ausgeschlossen sein sollen. Insoweit sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen.
Rz. 98
Unabhängig von den vorstehenden Voraussetzungen des Gerichtsstands der Widerklage müssen für die Zulässigkeit der Widerklage die allgemeinen Prozessvoraussetzungen im Übrigen vorliegen (siehe oben Rdn 4). Insbesondere muss das Gericht der (Haupt-)Klage auch für die Widerklage sachlich zuständig sein (siehe oben Rdn 48 f.). Fehlt die sachliche Zuständigkeit, so wird die Widerklage als unzulässig abgewiesen, wenn kein Verweisungsantrag gestellt wird (§ 281 Abs. 1 ZPO). Ist das Landgericht für die (Haupt-)Klage sachlich zuständig, erstreckt sich seine Zuständigkeit auch auf eine Widerklage, die für sich genommen in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fiele. Wird beim Amtsgericht eine Widerklage erhoben, für die bei selbstständiger Erhebung – eine Zusammenrechnung der Zuständigkeitsstreitwerte von Klage und Widerklage erfolgt nicht (§ 5 Hs. 2 ZPO) – das Landgericht sachlich zuständig wäre, so hat das Amtsgericht sich, sofern eine Partei dies vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache und nach Hinweis auf die Folgen einer rügelosen Einlassung (§ 504 ZPO) beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen (§ 506 Abs. 1 ZPO).
Rz. 99
Gegen die Widerklage ist grundsätzlich eine Wider-Widerklage möglich. Diese ist nach den Vorschriften über die Widerklage zu behandeln, wenn sie durch die eigentliche Widerklage veranlasst wurde und mit ihr im Zusammenhang steht.
Rz. 100
Auch eine Eventualwiderklage ist zulässig, sofern sie unter eine innerprozessuale Bedingung gestellt wird. Dies erfasst sowohl die Erhebung der Widerklage für den Fall, dass der Beklagte und Widerkläger mit seinem Antrag auf Klageabweisung unterliegt ("echtes Eventualverhältnis"), wie auch deren Erhebung für den Fall des Obsiegens des Beklagten und Widerklägers im Rahmen der (Haupt-)Klage ("unechtes Eventualverhältnis").
Rz. 101
Der Gerichtsstand der Widerklage regelt grundsätzlich auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO a.F.) sowie deren ab dem 10.1.2015 geltenden Neufassung (EuGVVO) und des Übereinkommens vom 30.10.2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ II) wird die innerstaatliche Regelung jedoch verdrängt. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiets eines Mitgliedsstaats hat, vor dem Gericht, bei dem die (Haupt-)Klage anhängig ist, verklagt werden, wenn es sich um eine Widerklage handelt, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die (Haupt-)Klage gestützt wird (Art. 8 Nr. 3 EuGVVO; Art. 12 Abs. 2 LugÜ II); die Vorschrift ist demnach enger gefasst als die nationale Regelung. Auf eine Drittwiderklage ist sie nicht anzuwenden.