Rz. 115
Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen. Sie zählt zu den Prozessvoraussetzungen und ist daher von der in der Begründetheit – insbesondere im Hinblick auf einen Forderungsübergang (siehe hierzu § 23 und § 37 B) – zu prüfenden Sachbefugnis, das heißt der Aktivlegitimation des Klägers und Passivlegitimation des Beklagten, aufbaulich streng zu trennen. Denn nach dem maßgeblichen formellen Parteibegriff wird die Eigenschaft als Partei allein durch das Rechtsschutzbegehren, ohne Rücksicht auf die Beteiligung am streitigen materiellen Rechtsverhältnis bestimmt. Als Prozessvoraussetzung ist die Prozessführungsbefugnis, die den formellen Parteibegriff zur Vermeidung von Popularklagen einschränkt, in jeder Lage des Verfahrens – auch noch in der Revisionsinstanz – von Amts wegen zu prüfen.
Rz. 116
Inhaltlich steht die Prozessführungsbefugnis grundsätzlich dem Träger des streitigen Rechtsverhältnisses zu, also demjenigen, der daraus unmittelbar berechtigt und verpflichtet ist. Ausreichend ist daher regelmäßig, dass der Kläger behauptet, das geltend gemachte Recht stehe ihm zu. Nimmt der Kläger in dieser Weise ein eigenes Recht in Anspruch, fehlt die Prozessführungsbefugnis nur dann, wenn sie dem Rechtsinhaber ausnahmsweise entzogen ist, insbesondere im Falle einer Insolvenz- (§ 80 Abs. 1 InsO), Zwangs- (§ 152 Abs. 1 ZVG) oder Nachlassverwaltung (§ 1984 Abs. 1 BGB).
Rz. 117
Steht die Prozessführungsbefugnis ausnahmsweise nicht dem Rechtsträger, sondern – zumindest teilweise – einem anderen zu, handelt es sich um eine Prozessstandschaft, das heißt die Befugnis, im eigenen Namen über ein fremdes Recht einen Prozess zu führen: Hier fallen die Prozessführungsbefugnis, also die Fähigkeit über das behauptete streitige Recht im eigenen Namen einen Rechtsstreit zu führen, und die Sachbefugnis oder Sachlegitimation, die die Frage betrifft, wer aus dem geltend gemachten Recht materiell-rechtlich berechtigt und verpflichtet ist, auseinander mit der Folge, dass nicht dem eigentlich materiell Berechtigten, sondern einem anderen die Befugnis zusteht, in eigenem Namen über ein fremdes Recht einen Prozess zu führen. Wer im Wege der Prozessstandschaft ein Recht einklagt, das nicht ihm selbst zusteht, muss seine Befugnis zur Führung des Prozesses dartun und notfalls beweisen. Die Voraussetzungen für eine Prozessstandschaft müssen (noch) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen; zum Widerruf der Ermächtigung bei einer gewillkürten Prozessstandschaft siehe unten Rdn 125.
Rz. 118
Eine Sachbefugnis des Prozessstandschafters (siehe oben Rdn 115) ist mit seiner Prozessführungsbefugnis nicht zwingend verbunden, weshalb er – ohne diese – auf Leistung an den Rechtsträger klagen muss ("offene Prozessstandschaft"). Ob der Prozessstandschafter- sprich: Kläger – Leistung an sich begehren kann, hängt davon ab, ob die Leistung des Beklagten an ihn Erfüllungswirkung hat (§ 362 Abs. 2 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Prozessstandschafter nicht nur zur Prozessführung, sondern auch zur Einziehung der streitgegenständlichen Forderung ermächtigt wurde (§ 185 BGB, Einziehungsermächtigung). Eine aus Rechtsgründen nichtige Abtretung kann in eine wirksame Einziehungsermächtigung umgedeutet werden (§ 140 BGB). Sowohl bei gesetzlicher als auch bei gewillkürter Prozessstandschaft ist die Vollstreckungsklausel (§§ 724 f. ZPO) dem Prozessstandschafter als Vollstreckungsgläubiger zu erteilen. Gegebenenfalls kommt eine Umschreibung auf den Rechtsinhaber in entsprechender Anwendung von § 727 ZPO in Betracht.
Rz. 119
Eine Prozessstandschaft ist grundsätzlich aktiv – auf Seiten der klagenden Partei – und passiv – auf Seiten der beklagten Partei – möglich. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine passive gewillkürte Prozessstandschaft zulässig ist, ist allerdings umstritten und nicht abschließend geklärt. Eine passive gesetzliche Prozessstandschaft findet sich insbesondere bei der Geltendmachung von Schäden, die NATO-Streitkräfte verursacht haben, gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (Art. 12 Abs. 2, 25 NTS-AG) oder von Ansprüchen auf Versicherungsleistungen gegenüber dem Schadensabwicklungsunternehmen eines Rechtsschutzversicherers (§ 126 Abs. 2 S. 1 VVG). Fehlt es an der passiven Prozessführungsbefugnis der beklagten Partei – und damit an einer Prozessvoraussetzung – ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Rz. 120
Eine gesetzliche Prozessstandschaft liegt vor, wenn sich die Prozessführungsbefugnis des Dritten unmittelbar aus einer gesetzlichen Regelung ergibt. Dabei kann es sich insbesondere um eine prozessrechtliche – wie z.B. bei Veräußerung einer in Streit befangenen Sache oder Abtretung eines geltend gemachten Anspruchs nach Rechtshängigkeit (§ 265 Abs. 2 ZPO) – oder eine materiell-rechtliche Ermächtigung – wie z.B. bei V...