aa) Gesetzliche und testamentarische Erbfolge
Rz. 92
Als Erwerb von Todes wegen gilt gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG zunächst der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB). Dessen Umfang bestimmt sich nach zivilrechtlichen Maßstäben. Erbt eine Erbengemeinschaft, ist nicht etwa diese (als Gesamthandsgemeinschaft) Erwerberin im erbschaftsteuerlichen Sinne; vielmehr werden die einzelnen Miterbe mit ihrem jeweiligen (anteiligen) Erwerb besteuert (Erbanfallsteuer). Die gesamthänderische Beteiligung am Nachlass wird nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 AO entsprechend den Erbquoten den einzelnen Miterben (wie Bruchteilseigentum) zugerechnet.
Rz. 93
Der Umfang des Erwerbs der einzelnen Miterben richtet sich in erster Linie nach den Erbquoten. Insoweit ist ein etwa vorliegender Erbschein für die Finanzbehörden grundsätzlich bindend. Abweichungen kommen nur bei Vorliegen wichtiger Gründe in Betracht.
Rz. 94
Neben den Erbquoten (bzw. sogar vorrangig) sind im Rahmen der Besteuerung auch die gesetzlichen Ausgleichungspflichten nach §§ 2050 ff. BGB zu berücksichtigen. Denn Gegenstand der Besteuerung ist der Vermögenserwerb, der auf den einzelnen Erben nach zivilrechtlichen Maßstäben entfällt. Dies wird in vielen Fällen nicht durch die bloße Erbquote bestimmt. Vielmehr kommt es auf die Beteiligung am sog. Ausgleichungsnachlass an.
Rz. 95
Hat der Erblasser eine letztwillige Verfügung hinterlassen, bestimmt deren Inhalt die Erbfolge und regelt auch die den einzelnen Miterben zustehenden Quoten. Diese Regelungen sind auch für die Besteuerung maßgeblich. Bei angeordneter Vor- und Nacherbschaft gilt bei Eintritt des Nacherbfalls auch der Erwerb des Nacherben gem. § 2139 BGB als Erwerb von Todes wegen i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Für die Behandlung des Vorerben gelten die Sonderregelungen in § 6 ErbStG, denen zufolge er als Erbe besteuert wird, also so, als ob gar keine Nacherbschaft zu seinen Lasten angeordnet wäre (Einzelheiten vgl. unten Rdn 171 ff.).
bb) Erbvergleich
Rz. 96
Einigen sich die Nachlassbeteiligten nach dem Erbfall auf eine bestimmte Art und Weise über die Verteilung des Nachlasses, z.B. auch über die Höhe ihrer jeweiligen Erbquoten, kann der Inhalt eines solchen Erbvergleichs auch der Besteuerung zugrunde zu legen sein. Dies kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn durch den Erbvergleich wirklich eine Ungewissheit über die durch den Erbfall eingetretene Rechtslage beseitigt wird. Wollen sich die Beteiligten demgegenüber lediglich einvernehmlichen über den eindeutigen Willen des Erblassers hinwegsetzen, ist eine steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen. Auch Vergleiche unter Miterben, die die Art und Weise der Erbauseinandersetzung regeln, haben keine erbschaftsteuerlichen Konsequenzen. Denn sie haben keinen Einfluss auf den Umfang der jeweils bestehenden Erbrechte.
cc) Annahme und Ausschlagung
Rz. 97
Mit dem Erbanfall erwirbt der bzw. erwerben die Erben nach §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB automatisch und ohne dass es eines weiteren Rechtsakts bedürfte, den gesamten Nachlass (Von-Selbst-Erwerb). Durch die Annahme der Erbschaft gem. § 1943 BGB dokumentiert der Erbe lediglich, die ihm bereits angefallene Erbschaft behalten zu wollen; sachenrechtlich erworben hat er sie bereits vorher (mit dem Erbfall).
Rz. 98
Wird die Erbschaft fristgerecht (§ 1944 Abs. 1 BGB) ausgeschlagen, gilt der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt (§ 1943 Abs. 1 BGB). Dadurch entfällt rückwirkend auch die Steuerpflicht bzw. der steuerpflichtige Erwerb (durch Erbanfall).