Rz. 245
Wie sich aus der oben stehenden Tabelle entnehmen lässt, findet das Ertragswertverfahren Anwendung bei der Bewertung von Mietwohngrundstücken, Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt.
Rz. 246
Nach § 184 Abs. 1 BewG ist bei Anwendung des Ertragswertverfahrens der Wert der baulichen Anlagen getrennt vom Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags zu ermitteln. Aus der Addition von Boden- und Gebäudewert ergibt sich der Grundstückswert für steuerliche Zwecke. Der Bodenwert ist gemäß § 184 Abs. 2 BewG wie der Wert des unbebauten Grundstücks nach § 179 BewG zu ermitteln.
Rz. 247
Die rechnerische Ermittlung des Ertragswertes ergibt sich aus den Detailregelungen der §§ 185–189 BewG. Zur Vereinfachung und besseren Nachvollziehbarkeit der einzelnen Bewertungsschritte werden diese nachfolgend schematisch dargestellt:
Rohertrag (Jahresmiete bzw. übliche Miete) |
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./. |
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Bewirtschaftungskosten |
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= |
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Reinertrag des Grundstücks |
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./. |
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Bodenwertverzinsung |
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= |
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Gebäudereinertrag |
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× |
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Vervielfältiger |
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= |
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Gebäudeertragswert (>0 EUR) |
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Gebäudeertragswert (< 0 EUR), dann Ansatz mit 0 EUR |
+ |
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+ |
Bodenwert (§ 179 BewG) |
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Bodenwert (§ 179 BewG) |
= |
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= |
Grundbesitzwert |
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Grundbesitzwert (entspricht Bodenwert) |
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(1) Reinertrag des Grundstücks
Rz. 248
Im ersten Schritt ist gemäß § 185 Abs. 1 BewG der Reinertrag des Grundstücks zu ermitteln. Dieser ergibt sich aus dem Rohertrag des Grundstücks (§ 186 BewG) abzüglich der Bewirtschaftungskosten (§ 187 BewG).
Rz. 249
§ 186 BewG definiert den Rohertrag als das Entgelt, "das für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach dem im Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist. Umlagen, die zur Deckung der Betriebskosten gezahlt werden, sind nicht anzusetzen." Anders ausgedrückt: Als Rohertrag ist die vereinbarte (nicht die vereinnahmte) Jahreskaltmiete anzusetzen.
Rz. 250
Analog zur Altregelung nach § 146 Abs. 3 BewG a.F. ist die übliche Miete heranzuziehen, sofern nach § 186 Abs. 2 BewG Grundstücke oder Grundstücksteile
▪ |
eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind oder |
▪ |
die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. |
Rz. 251
Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Miete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Auch bei dem Ansatz der üblichen Miete sind Betriebskosten (Umlagen) nicht zu berücksichtigen, so dass auf eine übliche Kaltmiete abzustellen ist. Die übliche Miete kann z.B. aus Vergleichsmieten oder Mietspiegeln abgeleitet werden.
Rz. 252
Nach § 185 Abs. 1 BewG ist der Rohertrag des Grundstücks um die Bewirtschaftungskosten zu reduzieren. Das Delta der beiden Positionen ergibt den Reinertrag des Grundstücks.
Rz. 253
Nach § 187 BewG sind Bewirtschaftungskosten die bei gewöhnlicher Bewirtschaftung nachhaltig entstehenden
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Verwaltungskosten |
▪ |
Betriebskosten |
▪ |
Instandhaltungskosten und |
▪ |
das Mietausfallwagnis. |
Rz. 254
Sämtliche Betriebskosten, die durch Umlagen gedeckt werden, bleiben hingegen unberücksichtigt.
Rz. 255
Beispiele für nicht durch Umlagen gedeckte Verwaltungskosten sind unter anderem Kosten für die rechtliche Beratung oder Aufwendungen für die Erstellung von Jahresabschlüssen. Instandhaltungskosten hingegen betreffen alle Kosten, die mit der Erhaltung des Objektes infolge von Alterung und Abnutzung im Zusammenhang stehen. Kosten des Mietausfallwagnisses sind solche Aufwendungen im Zusammenhang mit Leerstand oder der Ertragsminderung durch uneinbringliche Mietforderungen.
Rz. 256
§ 187 Abs. 2 BewG schreibt aus Gründen der Vereinfachung vor, dass die Bewirtschaftungskosten nach Erfahrungssätzen anzusetzen sind, die von den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellt werden. Sofern keine Erfahrungssätze der Gutachterausschüsse zur Verfügung stehen, ist von den pauschalierten Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 zum BewG auszugehen.
(2) Gebäudereinertrag
Rz. 257
Der Gebäudereinertrag ermittelt sich aus dem Reinertrag des Grundstücks abzüglich der Bodenwertverzinsung. Für die Verzinsung des Bodenwertes ist der Liegenschaftszins nach § 188 BewG heranzuziehen.
Rz. 258
Nach § 188 Abs. 1 BewG ist der Liegenschaftszinssatz der Zinssatz, mit dem der Verkehrswert von Grundstücken im Durchschnitt marktüblich verzinst wird. Auch hier gilt analog zu den vorgenannten Regelungen, dass vorrangig die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten örtlichen Liegenschaftszinssätze heranzuziehen sind (§ 188 Abs. 2 BewG). Sofern keine entsprechenden Werte der Gutachterausschüsse im Einzelfall vorliegen, ist nachrangig auf die Zinssätze gemäß § 188 Abs. 2 BewG zurückzugreifen. Hiernach gelten folgende Zinssätze:
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5 % für Mietwohngrundstücke |
▪ |
5,5 % für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche |
▪ |
6 % für gemischt genut... |