Rz. 506
Mitunter kann es vorkommen, dass Vermögen innerhalb kurzer Zeit mehrfach von Personen des engsten Familienkreises (Steuerklasse I) erworben wird, beispielsweise wenn ein beschenktes Kind kurz nach der Schenkung verstirbt und dann von dem schenkenden Elternteil beerbt wird. In solchen Konstellationen sorgt § 27 ErbStG dafür, dass ungerechtfertigt erscheinende Steuerbelastungen vermieden werden. Die Erbschaftsteuer auf den zweiten Vermögensübergang wird hier ermäßigt.
Der Umfang der jeweils eingreifenden Steuerermäßigung ist nach der zwischen Vorerwerb und Folgeerwerb vergangenen Zeit gestaffelt. Liegt der Vorerwerb mehr als zehn Jahre vor dem Folgeerwerb, ist eine Ermäßigung nach § 27 ErbStG ganz ausgeschlossen.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt im Übrigen eine Ermäßigung nur für einen Folgeerwerb von Todes wegen in Betracht.
Rz. 507
Voraussetzung für die Anwendung von § 27 ErbstG ist, dass an beiden Erwerben (also am Vorerwerb und am Folgeerwerb) Personen beteiligt sind, die im Verhältnis zueinander der Steuerklasse I angehören. Es ist nicht erforderlich, dass der Letzterwerber im Verhältnis zum Erblasser oder Schenker, der den Vorerwerb veranlasst hat, zur Steuerklasse I gehört. Steuerklasse I im Verhältnis zum Veranlasser des Folgeerwerbs genügt. So ist § 27 ErbStG z.B. auch dann anzuwenden, wenn ein nichteheliches Kind von seinem Vater eine Schenkung erhalten hat, die infolge seines (des Beschenkten) Todes an dessen Mutter (im Verhältnis zum nichtehelichen Vater Steuerklasse III) vererbt wird.
Rz. 508
Das Vermögen, welches den Gegenstand des zweiten Übergangs bildet, muss mit dem Zuwendungsgegenstand des ersten steuerpflichtigen Erwerbs grundsätzlich identisch sein. Ausreichend ist insoweit aber eine wirtschaftliche Identität. Es muss ich also nicht zwingend um denselben Vermögensgegenstände handeln. Auch der Erwerb von Surrogaten unterliegt der Privilegierung.
Rz. 509
Voraussetzung einer Anwendung von § 27 ErbStG ist, dass der Vorerwerb besteuert wurde. Außerdem begrenzt § 27 Abs. 3 ErbStG die Ermäßigung der Steuer für den zweiten Übergang auf bestimmte Höchstbeträge. Diese ergeben sich jeweils durch Anwendung der in § 27 Abs. 1 ErbStG genannten Prozentsätze auf die vom Vorerwerber tatsächlich gezahlte.
Fällt dem Zweiterwerber neben dem begünstigten auch gleichzeitig anderes Vermögen des Vorerwerbers an, ist nach § 27 Abs. 2 ErbStG im Wege einer Verhältnisrechnung der Gesamterwerb in einen normal und einen privilegiert zu besteuernden Teil aufzuteilen.