Rz. 66
Im vorliegenden Zusammenhang ist bei der Frage der verfolgbaren Straftat als Voraussetzung für die Aufnahme von Ermittlungen vor allem auf Verjährungsproblematiken und Strafantragserfordernisse einzugehen. Beide Aspekte (fehlender Strafantrag und eingetretene Verfolgungsverjährung) stellen nach der Terminologie des Gesetzes sogenannte Verfahrenshindernisse dar (vgl. §§ 206a Abs. 1, 260 Abs. 3 StPO). Dieser Begriff bezeichnet das Fehlen von Prozessvoraussetzungen, wobei üblicherweise zwischen sogenannten Befassungsverboten und Bestrafungsverboten unterschieden wird. Befassungsverbote (z.B. fehlende wirksame Anklage, fehlende örtliche oder sachliche Zuständigkeit u.Ä.) führen dazu, dass ein Verfahren gar nicht durchgeführt werden darf. Jedoch hindern die sogenannten Bestrafungsverbote, zu denen ein fehlender oder zurückgenommener Strafantrag ebenso gehört wie eine eingetretene Verjährung grundsätzlich nicht die Durchführung eines Verfahrens, sondern nur die Bestrafung wegen des Tatvorwurfs. Dass ein Verfahren – insbesondere ein Ermittlungsverfahren – auch ohne Strafantrag begonnen werden kann, ergibt sich im Umkehrschluss aus § 130 StPO. Dort wird festgelegt, dass sogar Haftbefehl ergehen kann bei Straftaten, die nur auf Antrag verfolgbar sind, bevor ein solcher Strafantrag gestellt wurde. Allerdings ist dem Antragsberechtigten dann eine Frist zu setzen zur Entscheidung, ob er einen solchen Strafantrag stellen will.
Nichts anderes gilt bei einer Verjährungsfrage, da dort zunächst im Ermittlungsverfahren die Voraussetzungen einer möglichen Verjährung in tatsächlicher Hinsicht geprüft werden müssen.
aa) Verjährung
Rz. 67
Die Strafverfolgungsverjährung richtet sich nach § 78 Abs. 3 StGB. Relevant sind im erbrechtlichen Zusammenhang die Regelverjährungen nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 und 5 StGB. Danach verjähren Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu 5 Jahren bedroht sind, in 5 Jahren. Taten mit geringerer Straferwartung verjähren nach 3 Jahren. Der Fristbeginn richtet sich nicht nach der Tatvollendung, sondern nach § 78a S. 1 StGB danach, wann das auf Verwirklichung des Tatbestandes gerichtet Täterverhalten beendet ist. Aus § 78a S. 2 StGB ergibt sich die Ergänzung, dass die Verjährung nicht eintreten kann vor Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges. Damit verschiebt sich bei Erfolgsdelikten regelmäßig der Verjährungsfristbeginn.
Beispiel 21
Miterbe M hat Miterbin A (seine leibliche Schwester), die zusammen eine Erbengemeinschaft bilden, befragt, welche Beträge der Erblasser in der Schweiz auf einem Nummernkonto hatte. Die A behauptet 2018 dies nicht zu wissen. Der M klagt gegen die A, die das auf einem schweizerischen Bankkonto liegende Vermögen des Erblassers, für das sie schon frühzeitig eine Vollmacht erhalten hatte, verschwieg. Durch seine Zeugeneinvernahme im Steuerstrafverfahren gegen A wird dem M 2024 – kurz vor der mündlichen Verhandlung im Zivilprozess – nunmehr bekannt, dass es tatsächlich Vermögen im Ausland gab. Er erstattet Strafanzeige und weist auf die vor 5 ½ Jahren abgegebene unrichtige Auskunft hin. Verjährt?
Rz. 68
Die Verjährung läuft ab Beendigung der Tat, das heißt mit der letzten auf Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges gerichteten Handlung des Täters. Der (versuchte) Betrug, der in der unvollständigen Auskunft liegen kann, setzte sich im Rahmen des Prozesses in Form des sogenannten Dreiecksbetruges fort. Diese Tat ist somit frühestens beendet, wenn der Täter in der mündlichen Verhandlung den Klageabweisungsantrag gestellt hat, denn hierin liegt die mutmaßlich letzte Handlung im Hinblick auf den Erfolg (Täuschung des Gerichts und kausale Herbeiführung eines Schadens). Damit kam es nicht auf die "Tat" vor 5 ½ Jahren an im Rahmen der Auskunft – diese wäre ohne Verjährungsunterbrechung wohl verjährt gewesen –, da im laufenden Prozess noch gar keine Beendigung (§ 78a S. 2 StGB) eingetreten war. Die A war im Prozess wahrheitsverpflichtet (§ 138 ZPO); die ggfs. strafbare Vortat ändert hieran nichts (Rechtsfigur der mitbestraften Nachtat). Verjährung ist daher nicht eingetreten; allerdings ist in den Blick zu nehmen, dass es angesichts des Angehörigenverhältnisses zwischen den beiden einzigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft eines Strafantrags bedarf (hierzu unter Rdn 69).
bb) Strafantrag
Rz. 69
Im Rahmen der Beratung ist darauf hinzuweisen, dass bei Schädigung eines Angehörigen (Legaldefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 1 lit. b StGB) die Privilegierungsvorschrift des § 247 StGB greift. Danach werden die genannten Delikte Diebstahl und Unterschlagung, aber auch Betrug (über die Verweisungsnorm des § 263 Abs. 4 StGB) und Untreue (vgl. § 266 Abs. 2 StGB) nur auf Antrag des Verletzt...