Rz. 35
Übersicht
Rechtsgut: Hausrecht i.S. eines Freiheitsrechts zu entscheiden, wer sich innerhalb geschützter Räume aufhalten darf
Tatbestand: Widerrechtliches Eindringen oder Verweilen in Wohnung/Geschäftsraum/befriedeten Besitztum eines anderen
Subjektiv: Vorsatz
§ 123 Abs. 2 StGB: Strafantragserfordernis
Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache: Für Fremdheit genügt, dass dies im Miteigentum Dritter steht.
Tathandlung: Gewalt/Drohung mit einem empfindlichen Übel
Hierdurch Taterfolg: Handlung/Duldung/Unterlassung
Rechtswidrigkeit muss positiv festgestellt werden: Verwerflichkeitsprüfung
Rz. 36
Beispiel 13
Im Nachlass des Erblassers befindet sich ein Einfamilienhaus, das dieser bis zu seinem Tod allein bewohnt hat. Er wird beerbt von seinen drei Söhnen, von denen der S ohne Absprache mit seinen beiden Brüdern das Haustürschloss aufbohrt und sodann ein neues Sicherheitsschloss einbauen lässt. S zieht sodann in das Wohnhaus des Erblassers und verweigert den weiteren Erben den Zugang und gibt diesen keinen Schlüssel.
Beispiel 14
Erblasser E bewohnte vor seinem Tod gemeinsam mit seiner Ehefrau das Wohnhaus, das in beider hälftigen Miteigentum steht. Nach dem Erbfall verweigert die Ehefrau den beiden miterbenden Söhnen den Zugang und nutzt das Haus allein weiter.
Variante: Die Ehefrau des Erblassers hatte das in ihrem hälftigen Miteigentum stehende Haus nach Trennung vom Erblasser allein genutzt aufgrund einer schriftlichen Nutzungsvereinbarung. Im Gegenzug hatte sie sich verpflichtet, die Betriebskosten des Hauses allein zu tragen. Nach dem Erbfall verweigert sie den Miterben den Zugang.
Rechtsgut des Hausfriedensbruchs ist nicht die öffentliche Ordnung, sondern das sogenannte Hausrecht im Sinne einer Bestimmungsfreiheit des Hausrechtsinhabers und sein Interesse an einer ungestörten Ausübung des Besitzes. Das Hausrecht als einem "Stück lokalisierter Freiheitssphäre" schützt nicht umfassend im Sinne eines freien Schaltens und Waltens im Haus, sondern nur unter dem Aspekt, in der Freiheitssphäre ungestört von anderen zu sein.
Rz. 37
Tatbestandlich ist vorausgesetzt, dass es sich um die Wohnung und damit das Hausrecht eines anderen handeln muss. In der Konstellation einer Erbengemeinschaft kann grundsätzlich jeder Miterbe Mitinhaber des Hausrechts sein. Das Hausrecht der Miterben leitet sich vom Hausrecht des Erblassers ab. Steht aber das Hausrecht aufgrund der (abgeleiteten) Berechtigung mehreren Personen gemeinsam zu, so gilt im Innenverhältnis zwischen den Miterben uneingeschränkt, dass die verschiedenen Mitberechtigten das Hausrecht nicht gegeneinander einsetzen, sich also nicht den Aufenthalt in den fraglichen Räumen gegenseitig verbieten können. Aus diesem Grund scheidet eine Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens der jeweiligen Miterben in den Fallbeispielen 13 und 14 nach § 123 StGB aus. Weder kann durch das Ausschließen Mitberechtigter noch durch deren Zutritt zu den gemeinsam innegehaltenen Räumen ein Hausfriedensbruch begangen werden. Etwas anders gilt nur dann, wenn in der Abwandlung zu Beispiel 14 allein die Ehefrau und Miterbin vor dem Erbfall aufgrund einer Nutzungsvereinbarung mit dem Erblasser das Hausrecht innehatte. Damit hatte sie kraft ihrer Verfügungsgewalt das alleinige Bestimmungsrecht innerhalb des geschützten Bereichs, so dass die Miterben kein eigenes Hausrecht innehatten. Ihnen ist damit ein Eindringen in das Haus gegen den Willen der Ehefrau des Erblassers nicht erlaubt. Insoweit bestünde eine Strafbarkeitsmöglichkeit gemäß § 123 Abs. 1 StGB. Da es sich um ein absolutes Antragsdelikt handelt, wird ein derartiger Vorwurf nur verfolgt, wenn innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis von Tat und Täter die Hausrechtsinhaberin Strafantrag erstattet.
Rz. 38
Soweit in Beispiel 13 (vgl. Rdn 36) ein Ausbohren des Schlosses durch einen Miterben erfolgte, liegt hierin eine Sachbeschädigung. Die Beschädigung von Gegenständen, die im Miteigentum mehrerer Personen stehen, erfolgt aus strafrechtlicher Hinsicht nur an dem (ideellen) Anteil, der im Eigentum des Dritten steht. Da durch das Aufbohren des Schlosses auch eine Substanzverletzung eingetreten ist, hat auf Strafantrag eines Miterben (§ 303c StGB) oder bei Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft eine Strafverfolgung zu erfolgen.
Rz. 39
Zuletzt ist in derartigen Fallkonstellationen das Verhalten der Miterben unter dem Aspekt der Nötigung, § 240 StGB, zu problematisieren. Hierbei ist trotz der Einschränkungen des Gewaltbegriffs durch das Bundesverfassungsgerichts von einer Gewalteinwirkung auszugehen, wenn, wie im Beispiel 13, durch das Austauschen von Schlössern die Miterben ausgesperrt werden sollen. Die Miterben werden insoweit zu einem Unterlassen genötigt. Im Rahmen Nötigungstatbestand ist eine Verwerflichkeitsfeststellung notwendig, damit von einem rechtswidrigen Verhalten ausgegangen werden kann.
Der Einsatz...