Rz. 69
Im Rahmen der Beratung ist darauf hinzuweisen, dass bei Schädigung eines Angehörigen (Legaldefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 1 lit. b StGB) die Privilegierungsvorschrift des § 247 StGB greift. Danach werden die genannten Delikte Diebstahl und Unterschlagung, aber auch Betrug (über die Verweisungsnorm des § 263 Abs. 4 StGB) und Untreue (vgl. § 266 Abs. 2 StGB) nur auf Antrag des Verletzten verfolgt (sog. absolute Antragsdelikte). Diese Verweisung gilt auch für Qualifikationen. Privilegiert sind nicht nur Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie, sondern auch Ehegatten, Verlobte sowie Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, ferner Pflegeeltern und -kinder. Nicht erforderlich ist, dass die Verlobung, Ehe usw. zum Zeitpunkt der Tat noch besteht.
Rz. 70
Dies führt im Fall 8 b (vgl. oben Rdn 25) zu dem ungewöhnlichen Ergebnis, dass das eigentlich strafantragsberechtigte Mordopfer dieses Antragsrecht nicht mehr ausüben kann. Erforderlich ist der Strafantrag nicht nur bei dem einfachen Diebstahl, sondern auch für alle weiteren Begehungsweisen (§§ 243, 244, 244a StGB). Auch diese Qualifikationen sind trotz ihres deutlich erhöhten Schuldgehalts absolute Antragsdelikte. Die Miterben sind hingegen nicht antragsberechtigt, denn das Gesetz sieht einen Übergang des Antragsrechts nicht vor. § 77 Abs. 2 StGB, wonach ein Übergang des Antragsrechts beim Tod des Verletzten stattfindet, ist nicht anwendbar. § 247 StGB sieht einen solchen Übergang nämlich nicht vor und § 77 Abs. 2 StGB bezieht sich nur auf Fälle, in denen das Gesetz den Übergang ausdrücklich bestimmt. Ein originäres Antragsrecht der Miterben kommt deshalb nicht in Betracht, weil der Wohnungseinbruchsdiebstahl vor Eintritt ihrer Erbenstellung beendet ist und eine Unterschlagung – wie dargestellt (siehe Rdn 27) – nicht vorliegt.
Rz. 71
Beispiel 22
Die Erbengemeinschaft besteht aus drei Brüdern: Aus dem Miterben M, der als einziges Mitglied der Erbengemeinschaft in B lebt und den Miterben X und Y, die im Ausland wohnen. Um den Nachlass einschätzen zu können, fordern sie M Anfang 2017 auf, ein entsprechendes Nachlassverzeichnis zu erstellen, was dieser auch bereitwillig macht. Er teilt jedoch nicht mit, dass der Erblasser E im Ausland Vermögen in Form eines Sparbuchs hatte, für das M schon zu Lebzeiten des E eine Vollmacht besaß. X und Y geht am 15.11.2017 das Verzeichnis zu, bereits Ende September 2017 wussten sie von der früheren Haushälterin, dass es ein Auslandskonto mit erheblichem Guthaben gab und der M davon gewusst haben soll. Nachdem M den Kontakt zu ihnen abbricht und Fragen nach der Höhe des Guthabens unbeantwortet bleiben, erstattet X am 30.4.2018 Strafanzeige per Fax. Aus der im Juni eingesehenen Ermittlungsakte ersehen beide, dass M von vorneherein vom Auslandsvermögen gewusst hatte, und unterzeichnen beide ein Strafantragsformular der Polizei. Rechtzeitig?
Rz. 72
§ 158 StPO unterscheidet zwischen Strafanzeige und Strafantrag. Während eine Strafanzeige auch mündlich erstattet und sodann von den Ermittlungsbehörden beurkundet werden kann, gilt für den Strafantrag das Schriftlichkeitsgebot. Es bedarf somit einer schriftlichen Antragstellung, das heißt der Antrag muss unterschrieben sein. Dafür genügt eine Unterzeichnung eines polizeilichen Protokolls genauso wie eines Fax-Schreibens. Es soll auch eine Faksimilie-Unterschrift genügen. Ein Strafantrag liegt in jeder ausdrücklichen oder durch Auslegung zu ermittelnden Erklärung des Berechtigten, aus der sich sein Wille ergibt, dass die Tat strafrechtlich verfolgt wird. Ob also im Beispiel 22 im Fax des X, mit dem er den Sachverhalt anzeigt, ein Strafantrag liegt, müsste im Wege der Auslegung ermittelt werden. Entscheidend ist, ob in der Erklärung über die bloße Anzeige – im Sinne eines Hinweises auf etwaig strafrechtlich zu ahndendes Verhalten – hinaus der Verfolgungswille des Erklärenden unmissverständlich zum Ausdruck gelangt. Hierauf käme es im Fall 22 dann nicht an, wenn zum Zeitpunkt der Anzeige die Frist von drei Monaten gemäß § 77b StGB ohnehin abgelaufen wäre.
Rz. 73
Da ein Irrtum über die Voraussetzungen des Antragserfordernisses als bloßer Irrtum über die Verfolgbarkeit der Tat bedeutungslos ist, kommt der Antragsfrist in § 77b StGB besondere Bedeutung zu. Nach § 77b Abs. 2 S. 1 StGB beginnt die dreimonatige Strafantragsfrist mit dem Ablauf desjenigen Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt. Bei einer versuchten Straftat ist insofern die Kenntnis der letzten auf den Taterfolg gerichteten Tathandlung maßgebend. Dies lag im Fall 22 in der Mitteilung der Haushälterin, die genaue Angaben zum Verbleib des Geldes mitteilte. Zu diesem Zeitpunkt war die Tat aber noch gar nicht begonnen worden, da erst am 15.11.2017 das lückenhafte Verzeichnis zuging. Es ist anerkannt, dass erst zu diesem Zeitpunkt die Frist beginnen kann.
Rz. 74
Da die Kenntnis von Tat und Täter keine Gewissheit über sämtli...